Rezension

Was wäre, wenn wir die Chance hätten, es noch einmal zu tun...?

Die Unvollendete - Kate Atkinson

Die Unvollendete
von Kate Atkinson

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt / Klappentext:

In einer eisigen Nacht im Jahre 1910 wird Ursula Todd geboren, um gleich nach dem ersten Atemzug zu sterben. Doch anders als andere Menschen erhält sie eine weitere Chance und wird erneut geboren: in eine äußerst britische Familie, die mit den herrlichsten Marotten ausgestattet ist und in deren Mitte Ursula mit ihrer "Fähigkeit" nicht weiter auffällt. Ganz im Gegenteil: Für ihre Mutter ist sie das Kind, das am meisten üben muss, um das Leben meistern zu können. Und so begegnet Ursula den seltsamen Ereignissen in ihrem Leben mit Neugierde, Humor und dem aufrichtigen Bestreben, alles richtig zu machen. Anders als andere muss sie nicht fragen: Was wäre, wenn? Ihr ist es gegeben, ihre Fehler und damit ihr Leben zu korrigieren. Dennoch erlebt sie Verlust, Verrat, Krieg und Tod. Was also soll diese Gabe? Ist es überhaupt möglich, sein Leben fehlerlos zu leben?

Meine Meinung:

Was wäre, wenn...? ist die große Frage in diesem Buch. Ursula, eine Engländerin, wird 1910 geboren, stirbt aber kurz nach der Geburt. Man lernt kurz die Eltern, die Situation zu Hause kennen, die Umstände der Geburt, doch das Baby ist tot. Im nächsten Kapitel sind wir wieder im Jahr 1910, dieselbe Situation, aber das Baby lebt. Bis das Kind in eine Situation kommt, die es wieder nicht überlebt.

Und so geht es immer weiter. Nachdem Ursula Todd in verschiedenen Situationen ihr Leben verliert, beginnt es jedes Mal wieder von vorne. Dabei kann sie sich zwar nicht konkret an ihre früheren Leben erinnern, hat aber Déjà-vu-Erlebnisse. Deshalb ist sie sehr sensibel, wenn sie in ähnliche oder teilweise auch dieselben Situationen gerät, in denen sie früher gestorben ist oder eine Bedrohung für andere besteht und handelt dann anders als zuvor. So überlebt sie diese schließlich, bis sie auf andere Art stirbt.

Die Autorin hat dieses Thema sehr gut umgesetzt. Es wird nicht immer wieder das komplette Leben erneut erzählt, sondern setzt meistens erst später wieder an und man erkennt schnell, was in dem neuen Leben anders ist. Man sollte das Buch allerdings in einem Zug durchlesen, wenn man es länger unterbricht, könnte man den Faden verlieren und nicht mehr durchblicken.

Geradezu philosophisch ist die Botschaft des Buches: was wäre, wenn man in einer bestimmten Situation anders gehandelt hätte? Wie wäre das eigenen Leben und das von anderen Personen dann verlaufen? So wird beispielsweise in Ursulas Kindheit ein Nachbarkind auf dem Nachhauseweg ermordet. In ihrem nächsten Leben hat sie dann an dem Tag eine Art Eingebung und begleitet das Mädchen nach Hause, was dann später Ursulas Bruder heiraten wird.

Anfangs hat sich die Handlung ein bißchen gezogen, da habe ich öfter gedacht, nun könnte auch mal etwas mehr passieren. Aber das hat sich dann schnell geändert, denn je weiter ich gelesen habe, desto dramatischer und spannender wurde es. Die Geschehnisse während des Zweiten Weltkriegs waren schon recht heftig, da wird sehr realistisch von Zerstörung, Tod und Elend erzählt. Als es sie in einem ihrer Leben nach Deutschland verschlägt, begegnet Ursula auch Hitler, nachdem sie durch eine Freundin Eva Braun kennengelernt hat. (Dies ist nun schon mein drittes Buch in Folge, wo die Protagonistin "dem Führer" begegnet, nun habe ich aber mal genug von dem ollen Adolf!)

Und nachdem sie den Krieg mehrfach durchlebt hat, kommt irgendwann auch die Frage auf, was wäre, wenn..... Hitler nie an die Macht gekommen wäre? Er viellleicht gar nicht geboren oder von jemandem getötet worden wäre? Wenn nur eine kleine Weichenstellung anders gewesen wäre in seinem Leben, wäre der Welt dieser schreckliche Krieg mit seinen Greueltaten erspart geblieben?

Hier noch ein Zitat, ein Dialog zwischen Ursula und ihrem Bruder Teddy: (S. 497):

""...das Leben muss weitergehen. Wir haben schließlich nur eins, wir sollten unser Bestes tun. Wir machen es nie richtig, aber wir müssen es versuchen."

"Was wäre, wenn wir die Chance hätten, es noch einmal zu tun und noch einmal, bis wir es endlich richtig machen? Wäre das nicht wunderbar?" sagte Teddy." 

Für mich ist es insgesamt ein sehr gelungenes, interessantes und auch spannendes Buch, am Ende habe ich es geradezu verschlungen. Die Sprache gefällt mir ebenfalls, es werden immer wieder einige Dichter zitiert und ich habe wieder ein paar neue Wörter entdeckt und gelernt (das mag ich sehr an Büchern!). Das Thema ist mal was anderes, was man nicht alltäglich liest und es regt zum Nachdenken und Philosophieren an. Deshalb kann ich es nur empfehlen!

Danke an den Droemer-Knaur-Verlag, bei dem ich dieses Buch bei einem Gewinnspiel gewonnen habe. Sonst hätte ich es vielleicht nie entdeckt...