Rezension

Wegsuche

Milchbar
von Szilvia Molnar

Bewertet mit 4 Sternen

Eine junge Mutter berichtet in „Milchbar“ von den ersten Tagen einer neuen Zeit. Eben noch selbstbestimmte junge Frau, ist sie nun kindbestimmt. Das Kind befiehlt den Takt in der neuen Zeit. Und die Mutter handelt dementsprechend und sich selbst aufopfernd, die eigenen Wünsche vollkommen vergessend. Einerseits. Andererseits kommen aber doch Gedanken an das Davor zum Vorschein. Vollkommen nachvollziehbare Gedanken. Aber auch etwas verwirrende Gedanken. Dennoch bemerkt man diese Verwirrung bei der jungen Frau. Sie muss sich an ein neues Dasein gewöhnen, dass einem niemand nachvollziehbar erzählen kann. Denn jedes Gespräch vorher macht nicht annähernd das Leben nach der Geburt begreifbar. Dies begreift frau erst wenn das Kind dann da ist und alles Vergangene weg ist und frau sich in einem gänzlich neuen Leben wiederfindet. Dieser Zustand wurde von Szilvia Molnar sehr ehrlich und nachvollziehbar in ihrem Roman „Milchbar“ wiedergegeben. Und auch wenn ich nicht diese Gefühle nachvollziehen kann, da ich selbst keine Mutter sein konnte, kann ich dennoch dieses ganze Gefühlschaos verstehen. Denn dieser wunderbare Zustand des neuen Lebens im Haus einerseits und andererseits wieder die vollkommene Abkehr vom bisher bekannten Leben, dies wird sicher schwierig sein. Dazu kommen dann noch hormonelle Veränderungen, Schlafentzug, Schmerzen, Wundversorgung, Körperlichkeit, Alleinsein, wenig Reden, partnerschaftliche Veränderungen, eine Sinnsuche, ein Verstehen und das notwendige Akzeptieren dieser neuen Zeit als „Milchbar“ hinzu. Dies ist sicher etwas viel für eine junge Mutter, wenn man noch das Davor kennt und wahrscheinlich schmerzlich vermisst. Denn das Entstehen der postnatalen Depression resultiert ja aus diesem ganzen destruktiven Prozess und mündet in einem Verstehen und Akzeptieren der eigenen neuen Situation und dadurch wieder resultiert nach und nach ein besserer Umgang mit der neuen Situation. In diesem Sinn verstehe ich dieses Buch auch als eine Würdigung und Prämierung der Leistung einer Mutter, der eigenen Mutter, aller Mütter insgesamt. Denn genau so sollte man dies auch gesellschaftlich bewerten. Und dieses Buch erinnert die Leser daran. Von daher kommt dieses Buch genau zur richtigen Zeit, wie ich finde. Früher hätte dieses Buch wahrscheinlich einen Verriss erlebt, auch wenn das Verstehen und das Würdigen der Leistung aller Mütter natürlich schon viel früher begreifbar gewesen sein sollte. Sicher. Aber hätte man dies gekonnt in unserer ach so bigotten Welt. Ich glaube dies nicht. Denn warum befinden wir uns denn in der heutigen Lage dringend Arbeitskräfte von außen in unser Land zu bekommen? Warum reichen denn die selbstgezeugten Kinder nicht aus, um diese Lücken in den Berufen zu füllen? Ich sehe da schon deutliche Zusammenhänge. Aber gut. Dies führt zu weit. Denn dieses Buch dreht sich um die Formung der Mutter, um den Kampf aus der postnatalen Depression. Und dieser Blick ist Szilvia Molnar seht treffend und berührend gelungen.