Rezension

Weibliche Parforcejagd durch die Ilias

Elektra, die hell Leuchtende -

Elektra, die hell Leuchtende
von Jennifer Saint

Bewertet mit 4 Sternen

Jennifer Saint webt hier die Geschichte rund um den trojanischen Krieg aus Sicht dreier Frauen, die als Ich-Erzählerin agieren: König Agamemnons Frau Klytämnestra, die gleichzeitig die Zwillingsschwester der legendären, den Krieg mit auslösenden schönen Helena ist, Klytämnestras Tochter Elektra und die trojanische Seherin Kassandra.

Den Titel finde ich wirklich unglücklich gewählt, denn ausgerechnet Elektra vertritt für den Großteil des Buches die weibliche Sicht am schlechtesten: Obwohl ihr Vater Agamemnon skrupellos ihre geliebte Schwester den Göttern opfert, wartet sie ein Jahrzehnt treu auf die Rückkehr Agamemnons aus dem Krieg, ohne jedes Verständnis für die Rachepläne Klytämnestras.

Durch die Nähe zu den Protagonistinnen, die wechselnden Perspektiven und den fesselnden Stoff entwickelte der Roman einen solchen Lesesog, dass ich ihn an einem Wochenende durchschmökert habe. Da ich die griechischen Sagen seit meiner Kindheit sehr gut kenne, hatte ich keinerlei Mühe, mich zurecht zu finden. Vieles wurde hier wirklich nur angerissen. So bleibt der berühmte Achill eine Figur, die nur von fern von den Frauen ein paar Mal beobachtet werden kann. Das passt zwar gut zu der Rolle, die Frauen zu dieser Zeit leider spielten, ist aber für eine fesselnde Geschichte doch etwas eindimensional, ebenso wie der Blick auf die Männer fast durchgängig ein negativer war. Manches, wie Kassandras Leiden als Gefangene der Griechen, geschieht quasi nur zwischen den Zeilen. Das mag an dieser Stelle erleichternd sein, ist an anderer Stelle aber einfach zu hastig erzählt. Hier hätte ich mir für die volle Punktzahl einfach mehr Tiefe gewünscht. Die Perspektivenvielfalt hätte für eine dichtere Geschichte sicher noch viel mehr Seiten benötigt.