Rezension

Weihnachtlicher Wohlfühlroman mit toller Kulisse

Ein irisches Weihnachtsfest - Patrick Taylor

Ein irisches Weihnachtsfest
von Patrick Taylor

Bewertet mit 5 Sternen

»Er öffnete die Wagentür und stieg ein. Arthur schnarchte auf dem Rücksitz, und Brunhilde duftete bereits nach Hund. Ach, für die Möglichkeit, hier in Ballybucklebo zu arbeiten, nahm er ein stinkendes Auto gern in Kauf. Dieses Dörfchen war so ganz anders als das unpersönliche Belfast. Hier kannten die Menschen einander, sie halfen sich gegenseitig und schoben ältere Leute nicht aufs Abstellgleis.«

Nordirland im Dezember 1964. Seit einigen Monaten arbeitet der junge Doktor Barry Laverty in der Praxis des alteingesessenen Landarztes O’Reilly. Wie übersichtlich das Örtchen Ballybucklebo ist, veranschaulicht der Ortsplan gleich zu Beginn des Buchs, in dem sogar die Ampel (Singular) eingezeichnet ist.

 

Barry liebt seine Arbeit, hat sich an die gewissen Besonderheiten seines leicht exzentrischen Chefs gewöhnt und sich gut eingelebt. Es gibt Menschen, die in einem kleinen Dorf, in dem jeder jeden kennt und absolut nichts geheim gehalten werden kann, innerhalb kürzester Zeit verrückt würden. Und es gibt solche, die sich in einem solchen Umfeld gerade wohlfühlen. Zu denen gehört Barry.

 

Als Landarzt wird man besonders gefordert, das ist auch heute nicht anders. Laverty und O’Reilly sind so richtig tolle Ärzte, von der Sorte, wie man sie sich als Patient wünscht. Sehr engagiert, empathisch, gut in ihrem Fach und einer von ihnen ist immer erreichbar. Der Autor hat selbst lange als Landarzt gearbeitet, er weiß also wohl aus eigener Erfahrung, wie hoch die Belastung ist, wenn man seine Arbeit als Berufung sieht und vernünftig machen will.

Die Arbeit der Ärzte wird dann auch meist sehr detailliert beschrieben. Da gibt es Untersuchungen, Diagnosen, Patientengespräche, Hausbesuche… Und nach Feierabend sitzen die beiden Doktoren noch beisammen und informieren sich gegenseitig. Ich fand das alles hochinteressant, zumal man dabei sehr gut beobachten kann, wie der damalige Stand der Medizin war. Einige Untersuchungen wirken aus heutiger Sicht sehr mühsam, aber dafür reden die Ärzte besonders viel mit ihren Patienten und kümmern sich mit vollem Einsatz um sie. Wer sich jetzt nicht so brennend für Medizin interessiert, wird diese Abschnitte vielleicht als etwas lang empfinden, für mich war der Umfang genau richtig.

 

In einem kleinen Dorf darf man natürlich Tratsch und ähnliches erwarten. Eine junge Mutter ist in Not, ein Junge neidisch, weil er nicht den Josef im Krippenspiel geben darf, um die Liebe dreht es sich natürlich auch und in der Nähe macht ein neuer Arzt Laverty und O’Reilly Konkurrenz. Einige der beschriebenen Probleme muss man unter dem zeitgeschichtlichen Aspekt betrachten. Apropos: Im Gegensatz zur damaligen Wirklichkeit trifft man in Ballybucklebo auf ein ordentliches Maß an Toleranz und Ökumene. Wie man im Nachwort lesen kann, spiegelt sich hier ein Wunsch des Autors, der Anfang der 1970er Jahre nach Kanada emigrierte, um dem Nordirlandkonflikt zu entgehen.

 

Worauf man sich ferner freuen darf, sind einige skurrile Gestalten. Neben O’Reilly war meine Favoritin die Haushälterin Kinky Kincaid, eine Perle mit äußerst bestimmtem Auftreten. Dazu gibt es viel Regionales, beeindruckende Landschaftsbeschreibungen, eingestreute Sätze der irischen Sprache, die so völlig fremdartig aussehen, regionale Küche und andere Besonderheiten.

 

Dieses Buch ist das dritte einer dreibändigen Reihe. Die beiden Vorgänger kenne ich nicht, das stellte fürs Verständnis aber kein Problem dar. Ich denke, ich werde mir irgendwann auch die anderen Bände vornehmen.

 

Fazit: Liebevoll, stimmungsvoll, unterhaltsam und an einigen Stellen zudem sehr witzig. Ich hatte viel Freude mit diesem weihnachtlichen Wohlfühlroman.