Rezension

Wein und Brot

Euphoria - Lily King

Euphoria
von Lily King

Bewertet mit 5 Sternen

Die junge Ethnologin Nell Stone ist ist mit ihrem Ehemann Fen auf Forschungsreise in Neuguinea. In den 30er Jahren steckt die Ethnologie noch in den Kinderschuhen aber Nell hat bereits mit ihrer ersten Veröffentlichung einiges an Ruhm und Popularität erlangt. Dass Nell diejenige ist, die mit ihren Tantiemen die Forschungsreise finanziert und das Eheliche Konto füllt nagt allerdings etwas an Fens Ego. Doch als die beiden auf Forscherkollegen Benson treffen, scheinen sich die Wogen etwas zu glätten. Und auch Benson ist mehr als glücklich über ihre Begegnung. Die Einsamkeit macht ihm schwer zu schaffen und seine Forschung über die Kiona steckt fest. Da passt es hervorragend, dass sie die drei gegenseitig beflügeln. Aber Benson kann nur schwer seine grenzenlose Faszination für Nell verbergen.

Was war das wieder für ein wunderbares Buch von Lily King?! Ich habe bereits „Writers & Lovers“ sehr geliebt und obwohl „Euphoria“ zeitlich und thematisch eine ganz andere Richtung einschlägt, hat es mich mindestens genauso begeistert! 

Einmal ist natürlich das Setting absolut faszinierend: Neuguinea, der Dschungel, Fremde Völker mit ihren eigenen Riten, Regeln, Religionen und Tabus, der Rausch des Forschens und Entdeckens, Hitze, Mosquitos, wilde Natur, indigene Kunst und alte Traditionen, die entschlüsselt werden wollen. Daneben lebt der Roman aber vor allem von den drei Hauptfiguren. Erzähler Benson ist sensibel, sympathisch, offen und denkt viel zu viel nach. Eigentlich das Gegenteil von Fen, der etwas verschwiegenes, leicht aggressives hat aber direkt, tatkräftig und anpackend ist. Und dann ist da natürlich Nell: Zierlich mit einem flinken Geist und begierig zu lernen. 

King stößt den Leser nie mit der Nase darauf, aber wie Nell sich zu ihrem eigenen Nachteil müht, dass Fen sich nicht herabgesetzt fühlt, wie sie schweigt, wenn er unfair wird und viele Kleinigkeiten mehr sorgen für eine dezent unangenehme Stimmung, die aber immer wieder durch ein nettes Wort abgemildert wird. So dreht sich dieser Roman viel um Liebe, Besitzanspruch, Konkurrenz und Kameradschaft.

Wie schon erwähnt hat mir „Euphoria“ ausgesprochen gut gefallen. Manche Sätze Kings treffen genau ins Herz ohne jemals kitschig zu sein. Dezent lenkt sie auf ein Drama zu, das einen letztlich doch überrascht und berührt. Es sind der lakonische Ton, die simplen schnörkellosen Fakten, die mich am Ende mehr getroffen haben, als jeder Showdown es getan hätte. Ein wunderbares, buntes, bedächtiges und besonders Buch.