Rezension

Wenn ältere Herren einen Neuanfang in der Provence wagen ...

Schweigendes Les Baux -

Schweigendes Les Baux
von Cay Rademacher

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der Frühling  ziert sich im Februar 2020 noch im Süden Frankreichs, als während einer Beamershow an die Felsen des Carrières de Lumières von Les Baux ein Toter gefunden wird. Im ehemaligen Steinbruch war ihm - unbemerkt von den Zuschauern - mit erheblicher Kraft die Kehle durchgeschnitten worden. Patrick Ripert, ein prominenter Kunstfahnder, recherchierte in der Region offiziell nach dem verschwundenen Bild einer einheimischen Künstlerin.  Roger Blanc und seinen Kollegen Tonon und Souillard fällt sofort das Missverhältnis auf zwischen Riperts üppiger Spesenrechnung auf Kosten eines lokalen Mandelbauern und dem unauffälligen Gemälde. Hat das Bild einer Frau mit Mandelzweig evtl. eher symbolische Bedeutung – oder dient es dem Privatermittler am Ende als Tarnung für einen völlig anderen Auftrag?

Während der Tourismus in der Provence bereits das Ausbleiben der Besucher aufgrund der Corona-Pandemie zu spüren bekommt, befragen Blanc und seine Kollegen Riperts Auftraggeber Charles Féraud. Der Mann hat, wie viele andere Franzosen auch, in den letzten Ausläufern der Wirtschaftskrise einen geschäftlichen Neuanfang gewagt und sein Vermögen in einen Mandelhof investiert. Die Ermittler wundern sich allerdings, dass innerhalb eines Jahres außer Féraud auch der Museumsdirektor (u. a. für den Steinbruch zuständig) und der Arzt Dr. Bazin in die Provence gezogen sind. Direktor Pavy und der Fahnder stammen aus dem kleinen Ort, der zurzeit ihres Neuanfangs durch ein spektakuläres Verbrechen und die Flucht des Täters die Schlagzeilen füllte. Für Blanc sind das ein paar Zufälle zu viel. Er wird die Neubürger und die Familienbande der Férauds genauer unter die Lupe nehmen – sei es nun legal oder halblegal. Dass Blancs Vermutungen offenbar ins Schwarze getroffen haben, provoziert den Täter zu einem weiteren Mord.

In Cay Rademachers 8. Provence-Krimi mit Roger Blanc und Kollegen herrscht von Beginn an eine melancholische Stimmung, verstärkt durch das heutige Wissen, dass die Corona-Pandemie vor Frankreichs Süden nicht haltgemacht hat. Während die Ermittler sich beruflich mit Personen befassen, die durch einen Neuanfang Vergangenes abzuschütteln versuchen, sinnt Blanc darüber nach, wie endlich sein Leben ist und ob er wirklich in der Provence angekommen ist. Dass er im Beruf von Singles umgeben zu sein scheint, war mir vor Blancs besinnlichen Momenten gar nicht aufgefallen. Mit einer etwas zu stark aus dem Zylinder gezauberten Lösung wieder ein stimmungsvoller Regionalkrimi, der mein Fernweh nach Frankreich weckt …