Rezension

Wenn alte Wunden aufbrechen...

Weltfrieden -

Weltfrieden
von Lucia Jay Seldeneck

Bewertet mit 5 Sternen

„...Und mit den Erinnerungen war auch wieder etwas von damals zu spüren, etwas, womit sie nicht mehr gerechnet hatte: die Angst der Ohnmacht...“

 

Wir befinden uns 10 Jahre nach der Wende in einem kleinen Dorf in Brandenburg. Das Grundstück des ehemaligen Kindergartens soll verkauft werden. Erika und Hermann kümmern sich seit einiger Zeit um die Ferienhäuser am See. Ihnen wird angeboten, auch den Kindergarten und dessen Umfeld in Ordnung zu bringen. Und plötzlich ist die Vergangenheit wieder lebendig, eine Vergangenheit, die tiefe Wunden geschlagen hat.

Die Autorin hat einen sehr stimmigen Roman geschrieben. Sie lässt dabei verschiedene Genrationen zu Wort kommen und zeigt auf, was damals alles schief gelaufen ist.

Der Schriftstil gibt die Gefühle der Protagonisten sehr gut wieder.

 

„...Systeme kamen und gingen. Sie kannte Menschen, die in der DDR glücklich gewesen waren, und sie kannte welche, die das System erdrückt hatte. Wozu darin rumwühlen?...“

 

Joppe gehörte zu den Menschen, die auch in der DDR den Finger in die Wunde legten. Trotzdem stand er seinen Mann im Betrieb. Doch nach der Wende sprach er kaum noch. Dafür gab es mehrere Gründe.

Die Protagonisten haben im alten Laborwerk gearbeitet. Das wurde von heute auf morgen geschlossen. Die Leute standen auf der Straße, egal, ob Arbeiter oder Wissenschaftler. Erika und Hermann gehören zu denen, die geblieben sind und sich eine neue Existenz aufgebaut haben. Els war gegangen – und ist zurückgekommen, um andere zurück zu holen. Ihr Kiosk ist Anlaufpunkt für alle, die reden wollen. Ihre Maxime lautet:

 

„...Wo nüscht is, kann immer noch viel entstehen!...“

 

Heike, die Tochter von Erika und Hermann, ist nach Berlin gegangen.

Beim Aufräumen des Grundstücks entdecken sie eine alte Grube. Dort kommen Dokumente zutage, die ein völlig neues Bild ergeben. Das Ende des Werkes hat einigen Leuten viel Geld in die Taschen gespült. Es wurde betrogen und getrickst.

Diejenigen, die von der alten Belegschaft noch da sind, setzen sich zusammen. Als einer der damaligen Gewinner vor dem Haus steht, nimmt der Fall eine unerwartete Wendung. Wieder bringt es Els auf den Punkt:

 

„...Wer über Leichen geht, muss auch damit rechnen, dass sie einen eines Tages am Knöchel packen...“

 

Die Geschichte über weite Strecken sehr realistisch erzählt. Deutlich wird, dass auch diejenigen, die gegangen sind, ihre Probleme hatten. Jeder Neuanfang wird auf seine Art von der Vergangenheit geprägt. Bei Joppe klingt das so:

 

„...Wir wollten keinen Wohlstand geschenkt. Wir wollten eine Chance...“

 

Und die haben sie sich nun genommen. Plötzlich ist der alte Stolz wieder da. Sie sehen ihre Zukunft mit neuen Augen. Äußerlich hat sich nicht viel geändert, aber im Innern eines jeden.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.