Rezension

Wenn die Vergangenheit im Dunkeln bleiben soll

Die Blaue Reiterin -

Die Blaue Reiterin
von Monika Pfundmeier

Bewertet mit 5 Sternen

„...Weder Vergangenheit noch Zukunft werden besser, je größer die Lügen und dunklen Geheimnisse sind, die man hinter sich herschleift oder unter den Teppich zu kehren versucht...“

 

Diese Worte sagt die 71jährige Hanna zu ihrem mir unbekannten Begleiter. Sie will Versöhnung mit der Familie. Doch dazu kommt es nicht. Hanna wird den gemeinsamen Spaziergang nicht überleben.

Am gleichen Tag wartet Josef Hack im Café auf Hanna. Seine Unruhe ist in jeder Zeile spürbar. Noch nie hat sie ihn versetzt. Auch seine Tochter Theres erscheint. Sie wollte mit Hanna die letzte Absprachen für die geplante Ausstellung treffen.

Vor Hannas Haus versucht Klara, ihre Enkelin, verzweifelt, Eintritt zu bekommen. Auch sie waren verabredet.

Im Gegensatz zu den Protagonisten weiß ich als Leser schon, was passiert ist.

Die Autorin hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Zum einen ist Theres nicht bereit, Hannas Tod als Unfall zu akzeptieren und sie schließt sich deshalb nicht nur mit der Polizei kurz. Zum anderen erhalte ich einen Einblick in Hannas Vergangenheit.

Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Er ist abwechslungsreich und an manchen Stellen mit örtlichen Dialekt durchsetzt.

Wie oben schon angedeutet, ist Hanna Malerin. Die Grundlagen wurden in ihrer Kindheit gelegt. Als sie nach dem Tod der Eltern bei den Großeltern in Murnau aufwuchs, wurde sie von der Malerin Gabriele Münter unterrichtet. Sie gehörte zur Künstlergruppe „Die blauen Reiter“. Ihr Lebensmotto gibt sie dem Mädchen mit:

 

„...Aber Leben – zu leben bedeutet, das zu tun, was aus dem Herzen kommt...“

 

Lange darf das Kind nicht bei der Großmutter bleiben. Der Onkel sorgt dafür, dass sie in sein Haus kommt. Gabriele ahnt, was dies bedeutet. Sie vergleicht den Vater von Hanna mit dessen Bruder:

 

„...Wie können zwei Früchte vom selben Baum so unterschiedlich sein – die eine Frucht recht und gut, die andere verdorben und übel...“

 

Damit sind die Malstunden vorbei. Für ihren Onkel ist die Malerin ein rotes Tuch. Er lebt nach wie vor seine Gesinnung des Dritten Reiches aus. Für Hanna beginnen dunkle Jahre.

Zu den intensivsten Szenen im Geschehen der Vergangenheit gehört ein Gespräch zwischen Gabriele und der etwa 13jährigen Hanna, die sie heimlich besucht hat. Es geht darum, warum die Schuldigen nach 1945 fast unbeschadet weiter machen konnten und oft noch das Sagen im Dorf hatten. Hier ein einzelnen Zitat heraus zugreifen, würde dem Gespräch nicht gerecht.

Bei der Polizei, den zwei Tonis, wie sie von der Bevölkerung liebevoll genannt werden, gibt es Unstimmigkeiten, ob man ermitteln soll oder nicht. Mir gefällt der Humor Beispiel gefällig?

 

„...“Wie war noch mal die Stellenbeschreibung für deinen Job?“ „Die Anweisungen meines Vorgesetzten wortgetreu ignorieren, die Bevölkerung vor so viel Kaffee wie möglich schützen und – sofern machbar – den Schreibtisch um jeden Preis verteidigen.“...“

 

Sehr detailliert werd ich auch mit den Handlungsorten bekannt gemacht. Nicht nur treffende Metapher, auch besondere Wortspiele machen das Lesen zum Vergnügen.

 

„...In den Fenstern glomm Licht, die regennassen Straßen waren wie leer gespült. Der Tag packte zusammen, schlurfte davon in den Schatten der Berge...“

 

Da ich zwar weiß, wie Hanna zu Tode kam, aber nicht durch wen, kann mich die Autorin durch geschickte Informationen immer wieder auf Umwege führen. Sohn und Enkelin verhalten sich seltsam. Der Cousin und seine Ehefrau eher nicht. Die haben bis hin zu ihrem Sohn die Gesinnung des Onkels konserviert.

 

„...Alleine bleiben nur Frauen ohne Ehre und Pflichtgefühl...“

 

Wo leben wir denn?

Theres und der Pfarrer gehen akribisch allen Spuren nach. Am Ende wird der Fall geklärt, logisch und konsequent und auf eine von mir so nicht erwartete Weise.

Ein Nachwort, Information über Gabriele Münter und ihr Wirken für die Blauen Reiter sowie ein Quellenverzeichnis ergänzen das Buch.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Gern mehr davon!