Rezension

*+* Wenn die Welt plötzlich Kopf steht *+*

Als Opapi das Denken vergaß - Uticha Marmon

Als Opapi das Denken vergaß
von Uticha Marmon

Bewertet mit 5 Sternen

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Inhalt:
Manche Tage fangen an, als wären sie nichts Besonderes. Sie kommen daher wie jeder Tag. Aber wenn man genau aufpasst, ist schon morgens etwas ein bisschen anders, und daran kann man sehen, dass der Tag ganz und gar nicht normal wird. Genau so ein Tag war dieser Mittwoch, als Opapi ankam. Opapi – so nennt Mia ihren Urgroßvater. Und der zieht jetzt zu ihnen. Weil er immer mehr vergisst, sagen Mama und Papa. Aber nun kann Mia ihn ja daran erinnern, wie man sich die Schuhe zumacht und dass man sich die Zähne nicht mit Handcreme putzt. Doch Opapi kommt nicht allein … Wer ist dieser geheimnisvolle Junge, der ein wenig altmodisch wirkt und bei Opapi ein und aus geht, wie es ihm passt?
(Quelle: Magellan -Der Verlag mit dem Wal)
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Das Cover:
Es springt einem sofort ins Auge. Hier ist die Welt in Ordnung, oder? Aber halt…Opapi sieht nicht so aus, als ob er noch mit beiden Beinen fest am Boden steht. Ein wenig klapprig ist er und es ist sehr gut zu wissen, dass seine Enkelin, von ihm liebevoll Mia-Mäusle genannt, ihn an die Hand nimmt. Spontan kamen mir die beiden Aussagen in den Sinn: „Gemeinsam sind wir stark“ und „Ich bin immer für dich da!“
Diese positiven Gedanken werden von der Farbwahl des Covers ebenfalls suggeriert. In hellen fröhlichen Farben sehen wir Mia und ihren Opapi, wie sie auf dem grünen Erdenball stehen. Auf der anderen Seite erkennt man einen Jungen und ein Schiff.
Wie wunderbar die Geschichte dieses Buches im Cover widergespiegelt wird…dazu werde ich späternoch  kommen!
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Meine Gedanken während und nach der Lektüre:
In „Als Opapi das Denken vergaß“ geht es um nichts geringeres als das Thema Demenz. Ich fand es sehr erstaunlich und mutig, dieses Thema in Form eines Kinderbuches zu verpacken. Dementsprechend neugierig war ich, als ich von diesem Buch hörte. Und noch neugieriger wurde ich als ich das fröhliche, farbige Cover sah. Dieses Buch sollte der Demenz gerecht werden? Ich war sehr skeptisch und wurde ganz schnell eines Besseren belehrt!
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. [Opapi2] Denn nicht nur die reine Geschichte an sich, auch die stilistische Umsetzung faszinierten mich. Einerseits ist da die einfache und dennoch wirkungsvolle Sprache, die ganz schnell ihren Weg in mein Herz fand. Zudem sorgt die Autorin immer wieder für Highlights innerhalb der Erzählung. Zum Beispiel, wenn „der geheimnisvolle Junge“ auftaucht. Die Art und Weise wie er dies tut, ist völlig unberechenbar und auch völlig unlogisch….aber das ist die Krankheit auch und somit spannt Frau Marmon auf diesem Wege einen wunderbaren Bogen. Auch andere Szenen im Buch vermögen dieses.
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Mia freut sich sehr als ihr Opapi in die Wohnung nebenan zieht. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Opapi und Mia-Mäusle, wie er seine Enkelin liebevoll nennt, kneten mit wachsender Begeisterung Tiere aus Brotteig, schauen sich alte Fotos an und treten Zeitreisen in Opas alte Welt an.
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Manchmal jedoch ist alles nicht so einfach, dann ist Opapi so anders, so verloren, gar nicht mehr er selbst. Und Mia weiß nicht, was sie tun soll. Aber ihre kindliche Intuition hilft ihr ein ums andere Mal, ihren Opapi auf äußerst liebevolle und sanfte Art rauszuholen aus seiner Verirrung und Verwirrung.
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„Als Opapi das Denken vergaß“ ist alles andere als ein allgemeiner Ratgeber zum Thema „Demenz“, auch wird hier kein Fallbeispiel dieser grausamen Erkrankung durchexerziert.
Ganz im Gegenteil, der Leser, ob groß ob klein, erfährt, mit welchen Eigenschaften und welcher Einstellung er es schaffen kann, aus diesem Dämon das Beste zu machen.
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Die Autorin hat dazu die Form des Kinderbuches gewählt und ihren Text dabei so geschickt formuliert, dass dieses Buch informativ und lehrreich für die lesenden Kinder als auch Balsam auf der Seele derjenigen Leser ist, die diesem Thema mehr mit Vernunft als miit Mias kindlicher Sichtweise begegnen – zumindest habe ich so empfunden. Die Erlebnisse mit meinen beiden Großmüttern noch gut abrufbar im Hinterkopf dachte ich an so vielen Stellen….ja warum nicht so handeln, warum nicht so damit umgehen. Die Krankheit ist da und sie ist definitiv nicht dem Willen des geliebten Menschen entsprungen. Warum also gereizt, genervt oder gar böse darauf reagieren. Mia hat den goldenen Weg gefunden. Sie nimmt jede Situation an so wie sie ist und egal, wie ihr Opapi auch immer sich verhält, welche Schwierigkeiten er unwillentlich auch immer heraufbeschwört – sie ist immer für ihn da, hat ihn immer lieb und zeigt ihm dies.
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[Opapi1] .
Ich wünschte jedem Menschen, der sein Leben verloren hat, ein solches Mia-Mäusle!
Und Mia-Mäusle zu sein ist gar nicht so schwer wie man meint…. Man nehme eine Riesenportion bedingungslose Liebe mit dem verdienten Respekt dazu, mischt es mit ganz viel Verständnis und der Bereitschaft, sich auf das Neue, Unbekannte einzulassen, wofür man natürlich überirdisch viel Geduld benötigt. Die Angst, die dabei zweifelsfrei immer wieder aufkommt, schickt man nach draußen vor die Tür, denn Angst muss man nicht haben – das hat Mia uns gezeigt.
Man muss loslassen können, die Eigenschaften des geliebten Menschen, die immer mehr verloren gehen, nicht mit Macht festhalten wollen. Es akzeptieren zu können, dass die demente Person nun eine andere Persönlichkeit an den Tag legt, zumindest phasenweise….und wenn man dann wunderbarerweise den Mut hat, sich darauf einzulassen, kann dies bis zu einem gewissen Punkt durchaus bereichernd sein.
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Natürlich reden meine Worte die schlimme Krankheit schön. Es ist immer schwer, zusehen zu müssen, wie der geliebte Mensch immer mehr verfällt, aber ich denke mit Mias Weg kann man wenigstens noch retten, was zu retten ist. Und die Mühe, die man sich gibt, spürt der alte Mensch, wie an Opapi unschwer zu erkennen ist. Dieses Miteinander kann große Kraft in dieser schweren Zeit geben.
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„Die Erwachsenen, dachte Mia, haben immer viel zu viel Angst, um richtig nachzudenken. Sie hatte keine Angst. Und sie wusste jetzt genau, was zu tun war. „
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[OPapi3]
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Mia sieht die Entwicklung geliebten Uropas mit ihren Kinderaugen und das ist gut so. Sie hat richtig gute Ideen, die letzten Endes sogar die beteiligten Erwachsenen anstecken. Somit wird es Opapi so schön wie nur möglich gemacht.
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Natürlich ist diese Geschichte stellenweise schon sehr idealistisch, aber die Kernaussage, die ich aus dem Buch ziehen konnte, ist sicher auf die meisten, wenn nicht alle Krankheitsfälle übertragbar.
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Seltsamerweise habe ich, obwohl ich dies vor der Lektüre des Buches befürchtet hatte, nicht eine einzige traurige Träne vergossen. Meine Tränen waren keine der Trauer, der Wut oder der Verzweiflung sondern sie waren in den frohen Farben des Covers gehalten und sie fielen aus Glück und Dankbarkeit für das Aufzeigen des Weges, den man bei dieser Krankheit bis zu einem gewissen Punkt auch gehen kann. Bei meinen Omas kann ich da im Nachhinein nichts mehr gut machen, aber es kann später auch meine Eltern oder andere sehr lieb gewonnene Menschen treffen. Und da einen möglichen Weg des besseren Ertragens zu wissen, nimmt einige der diffusen Sorgen von mir.
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Ich werde, wenn es mal schwer werden wird, immer das unglaublich gut gelungene Cover dieses Buches vor Augen haben, das sich bereits jetzt eingebrannt hat.
Mia und Opapi Hand in Hand auf ihrer eigenen heilen Welt. Jedoch liegt ein Teil des lieben alten Herren im Dunkeln, wenn die Sonne auf diese „Mia-Mäusle-Opapi-Welt“ scheint. Aber dieser Teil ist da und wenn diese kleine Welt sich dreht geraten die anderen, sonst verborgenen Aspekte aus ihrer Versenkung ans Tageslicht….und dann werde ich an die schlaue, kleine Mia denken, die mit ihrem Herzen sah…..und mich ein ums andere Mal sehr rührte und es immer noch tut.
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[Opapi4] .
Sehr geehrte Frau Uticha Marmon, lieber Magellan – der Verlag mit dem Wal, haben Sie ganz herzlichen Dank für dieses wundervolle Buch!
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Mein Fazit:
Ein äußerst gelungenes Buch zum Thema Demenz…für Groß und Klein empfehlenswert.
Ich vergebe die volle Wertung.
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Infos zum Buch:
„Als Opapi das Denken vergaß“ von Uticha Marmon ist am 21.07.2014 unter der ISBN-Nr. 978-3-7348-4004-3 bei Magellan – der Verlag mit dem Wal – erschienen. Es umfasst 160 Seiten und wird vom Verlag für Leser ab 9 Jahren empfohlen.

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