Rezension

Wenn dir keiner glaubt

Schwarz Wald Nacht -

Schwarz Wald Nacht
von Lisa Straubinger

Bewertet mit 4.5 Sternen

„...Jetzt stand sie da, mit ihrem alten Rucksack, der sich viel zu leicht für eine Flucht anfühlte, und den pochenden Herzen in der Brust. Sanne sagte sich in Gedanken: Ich brauche nicht mehr, mehr brauche ich nicht. Ich brauche nur Matthias, und den hole ich, wenn ich kann...“

 

Kurz nach ihrer Volljährigkeit flieht Sanne aus ihrem Elternhaus. Matthias ist ihr kleiner Bruder. Das Leben läuft nicht so, wie sie es sich gedacht hat. Die Polizei glaubt ihr nicht. Jetzt, nach neun Jahren, kehrt sie zurück in das Dorf ihrer Kindheit. Matthias hat sie darum gebeten, an der Beerdigung der Oma teilzunehmen. Noch ahnt Sanne nicht, wie viele der alten Wunden wieder aufgerissen werden.

Die Autorin hat einen fesselnden und teilweise schockierenden Krimi geschrieben. Dabei bezieht sich schockierend vor allem auf das Handeln der Familie und des Gesetzeshüters.

Der Schriftstil unterstützt die spannende Handlung und bringt die Düsternis mancher Szene voll zur Geltung. Gleichzeitig werden Sannes innere Verletzungen deutlich herausgearbeitet.

Auf den Weg ins Heimatdorf läuft Sanne eine Frau fast vor das Auto und verschwindet dann im Wald. In der Gaststätte informiert sie den Dorfpolizisten, der mit dem Vater am Stammtisch sitzt Die Reaktion des Vaters lautet:

 

„... Dein Leben muss ja ein tolles Abenteuer sein, wenn du es neun Jahre lang nicht mehr nach Hause geschafft hast. Aber keine Sorge, außer deiner Mutter und deiner Oma, Gott hab sie selig, hat dich niemand wirklich vermisst...“

 

Jochen, der Polizist, glaubt ihr erneut nicht. Am nächsten Tag wird die Frau gefunden – tot. Der Fall landet bei Hauptkommissarin Petra Wolf. Sanne aber misstraut der Polizei. Das kann ich ihr nicht verdenken. Das sorgt allerdings dafür, dass sie nicht immer logisch handelt. Noch ahnt sie nicht, wie tief der Fall mit ihrer Familie verbunden ist.

Die Dorfgemeinschaft hält zusammen. Jeder kennt jeden. Also kann nicht sein, was nicht sein darf. Und wer geht, ist Täter, nicht Opfer. Das lässt man Sanne deutlich spüren. Nur Jochen ahnt mittlerweile, dass er einen gravierenden Fehler gemacht hat. Ihn zu korrigieren, fehlen ihm Kraft und Mut.

 

„...Er kannte sie alle, die Geheimnisse und Lügen, hinter denen sich die Menschen so selbstverständlich versteckten, und musste trotzdem mit ihnen sprechen. Er betete, dass seine Geheimnisse niemals offenbar würden...“

 

Die Personen werden gut charakterisiert. Da ist der Vater, der im Dorf gut vernetzt ist und Deshalb das Vertrauen genießt. Die Mutter glaubt, im Leben vieles recht gemacht zu haben. Sie hat sich untergeordnet, obwohl ihr der Bauernhof gehört. Die Tochter bezichtigt sie der Lüge.

Sanne selbst hat sich ein eigenes Leben aufgebaut. Doch die alten Wunden sind nur übertüncht, nicht verheilt. Das wir an vielen Stellen deutlich. Allerdings ist ihr Überlebenswille stark gestiegen.

Ab und an kommt der Täter zu Wort.

 

„...Er wusste, was er zu tun hatte. Eine andere Wahl hatte er nicht. Dass tat ihm nicht leid; es musste so sein, damit er in Ruhe weiterleben konnte...“

 

Sanne ahnt nicht, dass auch sie auf der Liste des Täters steht.

Ganz schwierig sind die Szenen, als die Mutter wieder Kontakt zu Sanne sucht. Mehrmals lässt mich die Autorin einen Blick in die Vergangenheit werfen. Dadurch kann ich Sannes tun nachvollziehen. Auch Matthias` Mahnung an Sanne bringt keine Wende.

 

„...Sie hat geweint, weil du sie nicht sehen willst...“

 

Sanne ist noch nicht so weit. Zu schmerzlich sind die Erinnerung an Unverständnis und Tatenlosigkeit.

Am Ende wird der Fall gelöst. Dann ist nichts mehr, wie es war.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen.