Rezension

Wenn Liebe so groß ist, dass sie loslässt

Das Medaillon -

Das Medaillon
von Cathy Gohlke

Die Engländerin Sophie lebt wegen ihrem polnischen Ehemann in Warschau. Doch sie ist auf sich allein gestellt, denn er wurde eingezogen, und sie hat schon lange nichts von ihm gehört. Bei der Bombardierung der Stadt verliert sie alles. Wie gut, dass Freunde ihr Unterschlupf gewähren und ihr zu einem neuen Zuhause verhelfen. Mit der neuen Wohnung kommt eine neue Identität, denn ihr Mann gilt als Feind der neuen Befehlshaber.

 

Doch es sind vor allem die Juden, die unter der Besatzungsmacht zu leiden haben. Nach und nach müssen alle ins Ghetto, nur um entweder dort zu verhungern oder abtransportiert zu werden.

 

Auch Rosa und Itzhak müssen ins Ghetto. Dabei sind sie nur von Litauen nach Warschau gereist, um zu sehen, wie es Rosas Mutter geht. Aber auch wenn das Leben im Ghetto hart und entbehrungsreich ist, freuen sie sich, dass sie und ihre kleine Tochter in Sicherheit sind.

 

Doch mit der Zeit sorgt sich Itzhak um seine Familie in Vilnius, darum macht er sich auf den Weg dorthin. Der Zeitpunkt seiner geplanten Rückkehr verstreicht. Ohne ein Lebenszeichen ihres Mannes, weiß Rosa nicht, was sie tun soll. Sie und ihre kleine Tochter werden mit Sicherheit abtransportiert oder gar getötet werden. Wenn doch wenigstens ihre Tochter gerettet werden könnte! Sie hat gehört, dass Kinder aus dem Ghetto rausgeschmuggelt werden, damit sie in Sicherheit sind. Aber wie kann sie ihre geliebte Tochter, ihr ein und alles, aufgeben?

 

Diese Geschichte beginnt mit zwei Erzählsträngen, die sich langsam im Laufe der Geschichte verbinden. Die Nöte in einer besetzten Stadt werden eindrücklich vor Augen gemalt. Gerade die ersten Kapitel wirken trocken und emotionslos, vielleicht wegen der Schwere der geschilderten Ereignisse. Die Gräueltaten, die an den Juden und ihren Helfern verübt wurden, werden eindrücklich dargestellt. An vielen Stellen denkt man beim Lesen, das ist zu schlimm, um wahr zu sein. Und doch beruhen Teile dieser Geschichte auf wahre Begebenheiten.

 

Es dauert bei diesem langen Roman etwas, bis die Charaktere Fleisch und Blut bekommen und mit ihren Motiven verstanden werden. Doch spätestens nach dem ersten Drittel ist die Erzählung spannend, vor allem wegen der dargestellten Gewissensnöte. Es gibt keine leichten Antworten auf die dargestellten Fragestellungen. Vor allem diese: Wer hat das Recht die Elternrolle eines Kindes einzunehmen – die leiblichen Eltern, oder die einzigen Eltern, die das Kind kennt?

 

Fazit: Eine Geschichte, die unter die Haut geht. Spannend und schonungslos wird von den Gräueltaten, die im Dritten Reich an den Juden verübt wurden, erzählt – und das eingebettet in einer Geschichte, die schwere Fragen nach Mutterschaft, Ehrlichkeit und Vergebung aufwirft. Sehr empfehlenswert!