Rezension

Wenn Opfer zu Tätern werden

JAGDGRÜNDE - Michael Mikolajczak

JAGDGRÜNDE
von Michael Mikolajczak

Bewertet mit 5 Sternen

Eine nie dagewesene Hitzewelle verwandelt die in Müll versinkende Großstadt in eine stinkende Hölle und in ihr geht ein Serienmörder um. Er jagt blonde Frauen, schlitzt ihnen die Kehlen auf und versetzt damit die Stadt in Angst und Schrecken. Von den Medien und der Polizei wird er Brutus genannt, sein Jagdgebiet sind die U-Bahn-Stationen und Stadtparks, doch warum tötet er und kann die Polizei ihn stoppen?
Doch "Jagdgründe" erzählt auch die Geschichte eines jungen Polizisten; eines alternden und kaputten Polizei-Veteranen; einer festgefahrenen Ehe und einer jungen, verzweifelt liebenden Frau. Sie alle sind auf der Suche – auf der Jagd.

Leseeindruck

"Jagdgründe" ist als Kriminalroman betitelt, ist aber weit mehr als das. Der Autor Michael Mikolajczak hat eine viel komplexere Geschichte ersonnen, die meines Erachtens nicht in nur ein Genre passt und die mich von Anfang an in ihren Bann geschlagen hat. Dabei fiel mir der Einstieg zunächst nicht leicht, da der Schreibstil sehr eigen und speziell ist. Prägnant und nur auf das Nötigste reduziert, dabei aber stellenweise sehr bildhaft und voller Metaphern, braucht es einen Moment, bis man sich als Leser eingefunden hat. Diesen Roman liest man nicht mal eben nebenher und das ist auch gut so, denn die Geschichte ist vielschichtig, oft zwischen den Zeilen angesiedelt und der rote Faden zwar stets vorhanden aber nicht immer vordergründig. Durchhalten lohnt sich, die kurzen Kapitel lassen den Leser kaum zu Atem kommen und unterstreichen den stetig ansteigenden Spannungsbogen.

Es gibt etliche Handlungsstränge und agierende Personen, die größtenteils alles andere als Sympathieträger sind. Doch sie alle sind hervorragend ausgebaut und gezeichnet. Sie sind Menschen mit all ihren Facetten, guten und schlechten Seiten und damit sehr authentisch. Besonders gut hat mir ihre Glaubwürdigkeit gefallen, denn sie alle durchleben Veränderungen und wachsen oder verzweifeln an ihnen. Es gibt kein Schwarz oder Weiß, sondern die gesamte Palette von Grautönen; Ecken und Kanten, an denen man sich stößt und aufreibt und der Autor zwingt den Leser im Verlauf der Geschichte dazu, das zu erkennen, sich selbst und andere zu reflektieren und zu akzeptieren.

"Ein jeder von ihnen hatte ein Gedächtnis und ein Gewissen. Irgendwann in ihrem Leben hatten sie alle etwas getan, für das sie sich schämten und das sie ungeschehen wünschten."

Neben dem besonderen und etwas eigenwilligen Schreibstil, ist es aber vor allem die Geschichte selbst, die mich beeindruckt hat. Vordergründig klingt sie nach 08/15-Krimi- oder Thrillerkost, doch das ist sie ganz und gar nicht. Ja, es geschehen Morde und es gibt einen Serienkiller, den die Polizei jagt, doch das ist nur der Mantel, der den wahren Kern der Story umhüllt. Durchaus spannend und fesselnd wird dieser Part des Krimis erzählt, kommt man dem Serienkiller augenscheinlich näher aber wer denkt, dass damit die Geschichte erzählt ist, der irrt sich gewaltig. Für mich ist "Jagdgründe" auch eine Art Charakterstudie und zwar eine sehr spannende, voller Wendungen und Augenöffnern. Mikolajczak hält dem Leser und der Gesellschaft einen Spiegel vor und schönt dabei nichts. Hinzu kommt das düstere, fast dystopisch anmutende Setting der unbekannten Großstadt, die in einer nie dagewesenen Hitze und in stinkenden Müllbergen versinkt. Absolut passend und stimmig.

Womöglich ist meine Besprechung ein wenig kryptisch, das tut mir leid, doch ich kann und möchte nicht näher ins Detail gehen, da ich sonst den Effekt des Leseerlebnisses trüben würde. Wer neugierig geworden ist, sollte sich einfach auf dieses Buch einlassen und sich vorbehaltlos ins Jagdfieber versetzen lassen.

Fazit

"Jagdgründe" ist ein Roman, der fesselt, bewegt, schockiert und aufrüttelt aber auch durchweg gut unterhält. Mikolajczak erzählt eine Geschichte, die alles andere als fiktiv oder weit hergeholt erscheint und vielleicht gerade deshalb so unter die Haut geht und nachdenklich stimmt. Von mir gibt es deshalb eine klare Leseempfehlung.