Rezension

Wenn schon Klischees, dann bitte so!

Die Tagebücher von Adam und Eva - Mark Twain

Die Tagebücher von Adam und Eva
von Mark Twain

Bewertet mit 4 Sternen

Was im Garten Eden genau passiert ist, erzählen diese Aufzeichnungen auf amüsante, charmante und dabei tiefgründige Weise. Augenzwinkernd enthüllt Mark Twain die liebenswürdigen Eigenarten von Adam und Eva. Zwei, die zuerst nicht zueinander passen wollen, finden sich schließlich doch. Ein paradiesisches Lesevergnügen und ein Plädoyer für die Liebe! Umrahmt werden die Texte von den exotischen Landschaften des Malers Henri Rousseau.

Liebe auf den ersten Blick war es weiß Gott nicht - so lässt sich der Beginn der Romanze zwischen Adam und Eva beschreiben, wenn wir uns nicht auf die Genesis, sondern auf die Tagebücher berufen, die Mark Twain (1835-1910) seinen biblischen Protagonisten in die Federn diktierte. Mit ebenso humor- wie liebevoller Nachsicht verhandelt der weltberühmte amerikanische Autor hier die keineswegs paradiesischen Unzulänglichkeiten der Geschlechter am Beispiel des ersten Traumpaars der Geschichte. Dass die beiden schließlich doch noch zueinanderfinden, ist ein seltenes Glück für die Menschheit - und für den Leser!

Adam: "Ich habe keine Veranlassung, irgend etwas von mir aus zu benennen. Dieses Geschöpf benennt einfach alles, was ihm vor die Augen kommt, bevor ich noch Einspruch erheben kann. Und immer gebraucht es dafür die gleiche Rechtfertigung: 'Es sieht eben so aus.'" (S. 8)

Augenzwinkernd enthüllt Mark Twain in diesem Büchlein urmenschliche Irrungen und Wirrungen, die sich fortsetzen bis auf den heutigen Tag.  Bereits zu Beginn aller Zeiten war klar: Mann versteht Frau nicht, Frau versteht Mann nicht...

Eva: "Ich versuche mich so nützlich wie möglich zu machen, damit er mir mehr Aufmerksamkeit schenkt. In den letzten Tagen habe ich ihm die ganze Arbeit des Benennens abgenommen. Das war eine große Hilfe für ihn, und er ist mir sehr dankbar, denn ihm fehlt jegliche Begabung für diese Tätigkeit. Ihm fällt nie ein vernünftiger Name zur rechten Zeit ein, aber ich lasse mir nicht anmerken, daß mir seine Unfähigkeit aufgefallen ist." (S. 46)

Sei es Evas großer Hang zum Reden, der Adam nervt, Evas Faszination an schönen Dingen, ihre Neugierde, die Liebe zu ihrem Spiegelbild - sei es Adams Ignoranz von Evas Bemühungen, sein fehlendes Taktgefühl und Einfühlungsvermögen oder auch sein alleiniges und pragmatisches Interesse an praktischen und rein notwendigen Dingen: Mark Twain verschont hier keines der Geschlechter. Doch diese Klischees sind amüsant zu lesen, nicht schulmeisterlich, sondern liebevoll verpackt und mit leiser Ironie gewürzt.

Besonders gelungen fand ich Adams große Verwirrung angesichts gewisser neuer Entwicklungen nach der Vertreibung aus dem Paradies: "Wir haben es Kain genannt (...) Schon der Größenunterschied läßt darauf schließen, daß es sich um eine andere, möglicherweise neue Tierart handelt - vielleicht um einen Fisch." (S. 23) Als das Wesen zu wachsen beginnt und sein Aussehen immer wieder verändert, wächst Adams Verwirrung noch. Ein Känguru? Ein Bär? Erst Jahre später ist auch ihm endlich klar: Kain und Abel sind Jungen!

Ich habe eine alte Ausgabe des Buches, die erste Auflage des Herder Verlages aus dem jahr 1994, wunderschön bebildert mit Ausschnitten aus Gemälden von Henri-Julien Félix Rousseau (1844-1910), einem bedeutenden Vertreter der Naiven Malerei. Diese Gesamtkomposition hat mir wirklich gut gefallen, und das einzige Manko des Buches ist für mich: es ist zu kurz!

Zum Selberlesen für eine schöne Stunde und ein wirklich hübsches Geschenk für jeden Bücherfreund!

© Parden