Rezension

Wessen Haus ist das?

Heimkehr - Toni Morrison

Heimkehr
von Toni Morrison

Bewertet mit 5 Sternen

«Wessen Haus ist das?
 Wessen Nacht hält das Licht fern
 Hier drinnen?
 Sag, wem gehört dieses Haus? Meins ist es nicht.
 Ich hab von einem anderen geträumt, wohnlicher, heller,
 Mit einem Blick auf Seen, befahren in bunten Booten,
 Auf Felder, weit wie Arme, ausgebreitet für mich.
 Dieses Haus ist fremd.
 Seine Schatten lügen.
 Sag mir, warum mein Schlüssel hier passt.»

Diese von Toni Morrison ihrem erstaunlich schmalen Buch vorangestellten Zeilen verraten schon, dass es eine schwierige Heimkehr ist, die darin beschrieben ist. Die beiden Hauptprotagonisten, das afroamerikanische Geschwisterpaar Frank und Ycidra, Cee genannt, haben in ihren jungen Leben schon viel Leid erfahren müssen. In den 30er Jahren wurde ihre Familie vor rassisch bedingten Anfeindungen aus Texas vertrieben und fand in dem kleinen Ort Lotus, Georgia Zuflucht bei Verwandten. Eine schwierige Zuflucht, denn die Eltern arbeiteten stets bis zur Erschöpfung und ihre Stiefgroßmutter verfolgt zumindest die kleine Cee mit unerbittlichem Groll und Abneigung. Nur sich selber sind die beiden nah. Eine Nähe, die zerstört wird, als Frank die sich bietende "Chance" nutzt, der Dorf- und Familientristesse zu entgehen und zusammen mit zwei Freunden in den Koreakrieg zu ziehen. Eine Chance, die natürlich keine wirkliche ist, denn Frank kommt als gebrochener, psychisch versehrter Mann zurück. Zaghafte Versuche des Neuanfangs werden immer wieder durch schwere Nervenkrisen zerstört. So ist er gerade in einer psychiatrischen Klinik, als ihn ein Notruf erreicht: "Komm und hilf deiner Schwester, sie stirbt!" Denn auch Cee hat bei dem Versuch, Lotus hinter sich zu lassen wenig Glück gehabt. So macht Frank sich auf den Weg quer durch die Vereinigten Staaten.

Toni Morrison erzählt von dieser Reise und in vielen Rückblenden von der Kindheit, den Grauen des Koreakriegs, dem alltäglichen Rassismus in den 50er Jahren, den Verheerungen, die eine lieblose Kindheit anrichten kann, aber auch von Geschwisterliebe und Solidarität. Sie erzählt auch, wie die über Jahrhunderte eingeübte Duldsamkeit der Schwarzen zu Selbstverlust und Selbstverachtung führen kann. Reichlich viel Stoff für ein solch schmales Buch. Und so wurde Toni Morrison in der Kritik auch z.T. vorgeworfen, nicht mehr daraus gemacht zu haben. Für mich liegt der Reiz gerade in der Komprimiertheit. Sie schreibt klar, hart und poetisch zugleich, verwendet auch Märchenbilder und assoziative Bilderfolgen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass Frank neben der allwissenden Erzählstimme seine eigene Stimme bekommt. Er hakt ein, tadelt ("Du findest die Worte nicht."), besteht auf seine Sichtweise. Er fordert die Erzählerin auf: "Erzähl davon!"

Toni Morrison wählt zum Schluss ein versöhnliches Ende. Wenn auch schwer, kehren die Geschwister schließlich heim. Auch das wurde ihr vorgeworfen. Für mich war das hoffnungsvolle Ende stimmig. Es rundete das Kreisen um das Kernproblem ab: die Spannung zwischen Fremdheit und Dazugehören, die wohl immer im Begriff Heimat liegt, auch wenn sie es einem nicht so schwer macht wie Frank und Ycidra. Außerdem sei ein hoffnungsvolles Ende und auch ein schmaleres Werk einer mittlerweile 83jährigen Autorin zugestanden. Zumal, wenn sie damit ein solch eindrückliches, berührendes Mosaikstück zu ihrem großen Werk hinzufügt.