Rezension

What you see is what you got

Gottes rechte Hand - Rhena Weiss

Gottes rechte Hand
von Rhena Weiss

Bewertet mit 4 Sternen

Einzelbewertung:

Plot: 3/5
Atmosphäre: 3/5
Charaktere: 4/5
Spannung: 4/5
Showdown: 3/5
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Rhena Weiss ist für mich eine neue Autorin. Auf ihr aktuelles Buch „Gottes rechte Hand“ bin ich zufällig im Bloggerportal gestoßen, einer Website, auf der man Rezensionsexemplare anfordern kann – und das habe ich sofort getan, ohne den Klappentext richtig zu lesen. Ich habe nur „Wien“ gelesen und das hat mir genügt. Weniger sofort hab ich es dann gelesen, weil noch etliche andere ungelesene Bücher herumstanden, aber auch, weil ich erst später gemerkt habe, dass es der zweite Teil einer Serie ist und ich mich nie wohl fühle, wenn ich mitten in einer Serie einsteige. In „Gottes rechte Hand“ wird zwar immer wieder kurz auf die Geschehnisse des ersten Teils eingegangen, sodass man das Grundsätzliche erfährt, dennoch wäre es meiner Meinung nach besser, wenn man zuerst „Das Böse in euch“ liest, um nicht mit fehlendem Vorwissen in „Gottes rechte Hand" zu gehen.

Michaela Baltzer ist Kriminalbeamtin des Landeskriminalamt Wien und arbeitet dort gemeinsam mit der resoluten Doris und dem stillen Vincent, der allerdings gerade im Urlaub ist. Immer wieder zieht sie den Kriminalpsychologen und ihren Nachbarn Bernd, mit dem sie eine enge Freundschaft verbindet, zum Fall hinzu. Bernd hat erst kürzlich die Stelle von Kilian Weilmann übernommen, der mittlerweile in U-Haft sitzt. Der Psychologe kommt ursprünglich aus Graz, wo er offensichtlich verbrannte Erde hinterlassen hat und nach Wien geflüchtet ist – zumindest ist das meine zusammengereimte Version der Geschichte.

Nach wie vor bei Michaela wohnt ihre Nichte und leidenschaftliche Pianistin Valerie. Ihre Eltern sind immer noch bei „Ärzte ohne Grenzen" in Lesotho. Sie ist ein quicklebendiger und überaus sympathischer Teenager, der unbedingt später auch mal Kriminalbeamte werden will. Ihr großes Vorbild ist ihre Tante Mika – die wiederum hat keine wirkliche Freude mit Valeries Ambitionen und würde es lieber sehen, wenn sie eine musikalische Karriere einschlägt. Doch schon jetzt hilft Valerie ihrer Tante und rätselt beim Fall mit – und stellt sich dabei nicht ungeschickt an.

Gleich auf der ersten Seite des Buches steht, dass das Buch den Opfern häuslicher Gewalt gewidmet sei. Das Thema häusliche Gewalt zieht sich danach auch wie ein roter Faden durch die Geschichte; unter anderem ist ein Frauenhaus ein Schauplatz. Die Geschichte liest sich sehr flüssig und gerne auch mal rasant, zwischendurch gibt uns die Autorin aber auch immer wieder Zeit zum Runterkommen; etwa, wenn man Details aus der Vergangenheit der Charaktere erfährt. Neben dem Erzählstrang rund um Michaela bekommt man auch immer wieder das Agieren und die Gedanken von Bernd und Valerie mit – und die Sicht der Täterin. Alle Perspektiven sind interessant und gleichermaßen individuell, wobei es auch vorkommt, dass die Stränge nicht parallel verlaufen. Anfangs erfährt man davon, dass ein Mann von Wespen geradezu erstochen wurde, wesentlich später erfährt man dann aus der Täterperspektive, wie die Täterin es angestellt hat, was ich sehr interessant finde.

Übrigens steht der Titel „Gottes rechte Hand“ unter dem Motto What you see is what you got, man bekommt ziemlich genau das serviert, was angekündigt wird – das kommt leider viel zu selten vor. Meistens hat man das Gefühl, dass im Titel von Krimis und Thrillern mit aller Gewalt martialische Wörter wie „Tod", „Mord" oder ähnliches hineingequetscht werden, um dem Buch gleich im Titel ein Branding zu verpassen. Nicht selten kommt es dabei vor, dass der Titel nur entfernt oder auch gar nichts mit dem Inhalt zu tun hat.

Mir persönlich herrscht etwas zu viel Gefühlsduselei in der Geschichte, aber als Mann bin ich auch nicht gerade die Hauptzielgruppe, wie ich irgendwann in einem Interview  von Andreas Gruber gelernt habe – apropos: Ich habe „Gottes rechte Hand“ innerlich immer wieder mit den Büchern von Beate Maxian verglichen, bis ich zur Erkenntnis gekommen bin, dass der Vergleich in keinster Weise standhält; beide Autorinnen agieren völlig individuell – aber zumindest ähnlich gut und mit einer ähnlich starken Protagonistin. Dass Weiss' Krimis in Wien spielen, spielt eine untergeordnete Rolle; die Geschichte beinhaltet zwar einen Hauch Lokalkolorit, aber im Prinzip könnte sie auch in jeder anderen Stadt dieser Welt spielen.

Was ich seltsam fand, war, dass relativ am Anfang die Rede davon ist, dass Michaela eine spezielle Methode hat, mit der sie unter anderem ermittelt – diese wendet sie aber im späteren Verlauf nie an; oder so, dass es der Leser nicht merkt. Das finde ich schade, denn das hätte der Geschichte einen weiteren interessanten Aspekt verliehen.

Der Showdown ist okay, ein bisschen Spektakel, aber mit erwartbarem Ausgang; auch die Täterin entlarvt man als Leser recht bald. Was mich allerdings beeindruckt hat, war alles nach dem Showdown; da ist bei mir so richtig Gänsehaut aufgekommen. Normalerweise vergesse ich die letzten Seiten eines Buches recht schnell, diese werden mir jedoch länger im Gedächtnis bleiben.

Der dritte Teil der Serie erscheint übrigens am 20. August – vielleicht schaffe ich es bis dahin, „Das Böse in euch“ zu lesen.

Tl;dr: „Gottes rechte Hand“ von Rhena Weiss ist nicht nur Opfern häuslicher Gewalt gewidmet, das Thema häusliche Gewalt zieht sich auch wie ein roter Faden durch das Buch und Weiss hat es geschickt in die Geschichte, die sowohl rasante, als auch ruhige Parts hat, implementiert. Die Geschichte ist gut zu lesen und ist gerne rasant, aber auch gerne mal ruhig. Vor diesem zweiten Teil der Baltzer-Reihe wäre es aber empfehlenswert, den ersten zu lesen, da sonst Vorwissen fehlt.