Rezension

Who doesn't want a daemon?

His Dark Materials: The Golden Compass (Book 1) - Philip Pullman

His Dark Materials: The Golden Compass (Book 1)
von Philip Pullman

Bewertet mit 5 Sternen

"Very grand indeed." beschied die New York Times über dieses Buch. Und es stimmt, die ganze Trilogie ist in meinen Augen das Beste, was es für Jugendliche auf dem Markt gibt, auch wenn die drei Bücher im Schnitt jetzt etwa 20 Jahre alt sind. Warum ich das so empfinde, werde ich versuchen, im Folgenden in Worte zu fassen, aber wie immer bei Büchern, die mich tief berühren und mir gefühlt 'mehr' als Wahrheit zeigen, werde ich dem Werk von Philip Pullman nicht gerecht werden.

In 'Der Goldene Kompass' lernen wir Lyra Belacqua kennen, die von den Gelehrten des Jordan Colleges in Oxford aufgezogen (oder mehr geduldet) wird, weil ihre Eltern angeblich verunglückt sind. Doch auch wenn uns die Orte und Namen bekannt vorkommen, macht Pullman im ersten Satz klar, dass es sich nicht um unsere Welt handelt, in der Lyra sich bewegt. Denn sie bewegt sich nicht allein. An ihrer Seite ist ihr daemon Pantalaimon. Diese Erfindung des daemons ist der große Kniff des Autors und birgt einen Großteil des Zaubers der Trilogie (die gesammelt 'His Dark Materials' heißt). Jeder Mensch in Lyras Welt hat einen daemon zum Begleiter. Das ist ein Wesen in Tiergestalt, dessen Leben und Fühlen untrennbar mit dem seines Menschen verbunden ist. Es könnte als Manifestation der Seele oder des Charakters interpretiert werden. Bei Kindern wie Lyra hat der daemon noch keine feste Form angenommen, erst wenn man in der Pubertät ist, legt sich der daemon auf eine Gestalt fest und verrät damit auch immer einiges über den Charakter seines Menschen. Bei Kindern verraten die unterschiedlichen Formen des daemons eher etwas über ihre momentane Gefühlslage. Die Idee wurde inzwischen vielfach kopiert, aber bisher habe ich noch keine Geschichte gelesen, in der die Verbindung zwischen einem Menschen uns seinem Begleiter so tiefgreifend und berührend beschrieben wurde wie in His Dark Materials.

Eine zweite Erfindung Pullmans ist 'Staub' oder 'Dust' im englischen Original. Das ist eine Materie oder ein Teilchen, das noch kaum erforscht ist und dessen Existenz von der Kirche in Lyras Welt geleugnet wird. Tatsache ist aber, dass Dust allgegenwärtig ist und ein Bewusstsein zu haben scheint. Lord Asriel, Lyras Onkel, der sie manchmal am Jordan College besucht, will eine Expedition in den hohen Norden starten, um Dust weiter zu untersuchen. Im weiteren Verlauf erfährt Lyra, dass Lord Asriel ihr Vater ist und die kalte Mrs. Coulter, die Lyra kurz nach Asriels Besuch zu sich holt und versucht, sie mit schönen Dingen zu bezirzen, ihre Mutter. Lyra flieht vor dieser Frau und wird von den Gypsians, einem (auf Flüssen) fahrenden, weisen Volk mit in den Norden genommen, um einerseits ihren Vater zu finden und andererseits Roger, den Küchenjungen aus Jordan, der zusammen mit anderen Kindern entführt worden ist. Unterwegs erhält sie das Alethiometer, den titelgebenden goldenen Kompass, der ein Gerät ist, das die Wahrheit sagt. Es ist allerdings sehr schwer zu lesen, doch Lyra scheint eine Begabung dafür zu haben. Sie erfährt, dass es eine Prophezeiung über sie gibt und sie eine besondere Rolle in der Suche nach Dust spielen soll. Doch zuerst will sie Roger retten und macht dabei die Bekanntschaft von Iorek Byrnison, einem gepanzerten Eisbären, der von seinem Thron vertrieben wurde. 

Man merkt, eine Zusammenfassung der Geschichte des ersten Teils fällt mir wahnsinnig schwer, weil jedes Kapitel spannend, wichtig und interessant ist. Es tauchen immer wieder neue Personen oder Wesen auf und die Story wird immer tiefer und mehr und mehr Fragen entstehen. Lyra ist ein bezaubernder Charakter, ein ganz und gar nicht liebes Mädchen, sondern ein Wildfang mit dem Herz am rechten Fleck. Dass sie zum Werkzeug wird, wird von allen 'Guten' so gut es geht verhindert, doch Lyra ist eigensinnig genug, um sich nicht zu verstecken, sondern selber für ihre Freunde einzustehen und somit zu handeln und ihre Rolle in der Prophezeiung zu stärken. Schon im ersten Teil merkt man ganz klar, dass das 'Erwachsenwerden' ein Hauptthema der Trilogie ist und der Autor schafft es, die Emotionen, die damit verbunden sind, die Angst und die Liebe, in wenigen Worten so auszudrücken, dass einem (vielleicht gerade als erwachsener Leser) von jetzt auf gleich Tränen in den Augen stehen. 

Ein Welt, die durch und durch verzaubert, eine Protagonistin, die durch ihre Menschlichkeit überzeugt und eine symbolische Ebene, die man nicht wirklich greifen kann - man muss sie fühlen. 

Grandios. Uneingeschränkt zu empfehlen, aber bitte auch mit 2. und 3. Teil!