Rezension

Whodunit-Krimi im Stil eines überforderten Hercule Poirot

Hotel Zum verunglückten Bergsteiger -

Hotel Zum verunglückten Bergsteiger
von Arkadi Strugatzki

Bewertet mit 4 Sternen

Polizeiinspektor Gebski freut sich auf zwei Wochen Winterurlaub und steigt im Hotel Zum verunglückten Bergsteiger ab. Doch statt erholsame Tage auf Skiern und vor dem Kaminfeuer zu genießen, landet er mitten in einem Haufen skurriler Menschen, die seine Ermittlungsfähigkeit unter Beweis stellen. 

Die Brüder Arkadi und Boris Strugatzki sind mir immer wieder aufgefallen, weil manche ihrer Werke verfilmt sind und als Klassiker gepriesen werden. Gelesen hatte ich bisher nichts von ihnen und ich wusste überhaupt nicht, was inhaltlich und stilistisch auf mich zukommt. Bei diesem Buch fühlte ich mich vom merkwürdigen Titel und dem Setting um das Hotel in den Bergen angesprochen, daher habe ich dazu gegriffen. Die schrägen Vögel und die seltsamen Umstände haben zudem mein Interesse geweckt. 

Inspektor Gebski kehrt ins Hotel Zum verunglückten Bergsteiger zum Winterurlaub ein. Endlich kann er abschalten, sich durch den Tag treiben lassen und das winterliche Ambiente genießen. Schon bei seiner Ankunft merkt er, dass die Hotelbezeichnung Programm im gewählten Etablissement ist. Der verunglückte Bergsteiger, der als Namenspatron dient, treibt post mortem seine Späßchen mit den Gästen, in dem er in geisterhafte Erscheinung tritt.

So ergeben sich abstruse Situationen, die manchen an Gespenster glauben lassen. Sei es eine Pfeife, die im Zimmer des Verunglückten vor sich hin raucht, entwendetes Schuhwerk oder eine lautstark besetzte Dusche, in der niemand ist.

Gebski ist mit den Merkwürdigkeiten nicht allein, denn es werden ihm wahrlich schräge Vögel zur Seite gestellt: Das vermögende Ehepaar Moses, der Bruder des verunglückten Bergsteigers samt einem jugendlichen Jungen oder Mädchen, wobei das Geschlecht dieser Figur für viele Spekulationen sorgt, ein nordischer Hüne und ein Anwalt für Minderjährige.

„Zu viele Verrückte in diesem Fall. Zu viele Verrückte, Betrunkene und Bekloppte …“ (S.153)

Die Handlung erinnert an einen Whodunit-Krimi im Stil eines überforderten Hercule Poirot, wobei lange keine konkrete Tat untersucht wird. Vielmehr erscheinen Gebski und dem Wirt viele Ereignisse außerordentlich seltsam, sodass der Inspektor von der anbahnenden Urlaubsstimmung rasch in den Arbeitsmodus verfällt.

Inspektor Gebski und sämtliche Figuren kamen mir eigenartig antriebslos vor. Merkwürdigkeiten wurden kaum in Frage gestellt, man verhält sich defensiv, hält sich bewusst zurück und mischt sich nicht in die Angelegenheiten anderer ein. Vielmehr schlüpft Gebski zuerst in die Rolle des Beobachters. Er ist bemüht, sich keinesfalls stören zu lassen, doch dann übernimmt das berufliche Pflichtgefühl die Oberhand. 

„Hotel Zum verunglückten Bergsteiger“ ist ein skurriler Krimi, den man so vermutlich noch nicht gelesen hat. Die Strugatzki-Brüder erschaffen eine Pracht an facettenreichen, kuriosen Figuren, die Gebski und den Leser lange Zeit in die Irre führen. 

Zum Ende hin treiben es die Autoren an die Spitze der Skurrilität, was mir ausgezeichnet gefallen und für mich das Highlight an diesem Werk ausgemacht hat.

Der Schreibstil ist intellektuell, teilweise sprunghaft und manchmal fordernd, was vermutlich auch an der verstrickten Handlung liegt.

Ich denke, wer sich auf einen außergewöhnlichen Whodunit-Krimi einlassen und die Strugatzkis kennenlernen will, hat mit „Hotel Zum verunglückten Bergsteiger“ die passende Lektüre im Blick.