Rezension

Wichtiges Thema - Reizvoller Sprachstil

Das Haus -

Das Haus
von Monika Maron

Bewertet mit 4 Sternen

Empfehlenswert für Menschen im letzten Drittel Ihres Lebens

Ich griff zu Monika Marons Roman 'Das Haus' aufgrund einer Empfehlung in der 'Zeit'. Ich hatte früher schon Werke von ihr gelesen. Das Cover spricht mich nicht an. Der Bezug erschließt sich erst beim Lesen, ein Reh, das uns aus der Dunkelheit heraus anblickt. Im Roman taucht es auf einem Friedhof auf.

Maron ist inzwischen 82 Jahre alt und schreibt immer noch, Hut ab.

Die Handlung spielt im Jahr 2019. An Sylvies 68.tem Geburtstag kommt das von Katharina geerbte Gutshaus auf dem Land in Bossin, nördlich von Hamburg gelegen, aufs Tablett und damit die Idee einer Alters-WG. Auch Eva, die Protagonistin, die Katharina seit 20 Jahren kennt, zieht zwangsweise mit ein, da das Haus, in deren sich ihre Mietwohnung befindet, verkauft wird, obwohl Eva bis zum Ende der Erzählung unsicher ist, ob es für immer ist oder überhaupt die richtige Entscheidung sein kann. Dann ist da noch Mary, die ehemalige Buchhändlerin, das Ehepaar Müller, er Althistoriker, Alex, Evas Freund, der Krimiautor, der auf Besuch kommt (er nennt das Projekt 'Katharinas Gnadenhof', was beim Leser bestimmte Assoziationen weckt), der weiße Königspudel Pablo und ein paar andere. Zusammen ist man weniger allein, auch wenn alle mehr oder weniger schicksalsbedingt, durch 'negative Gründe motiviert', wie Eva es behauptet, in die Kommune gezogen sind. Die Idee der Bibliothek, in die jeder seine Bücher stellt, finde ich großartig genauso wie die Tatsache, dass das Leben auch in Bossin weitergeht, man an frühere Projekte anknüpft. Katharina bietet eine Tiersprechstunde an, Mary einen Lesekreis für Kinder. Diese WG ist privilegiert, eine Intellektuellen-WG aus lauter Individualisten, Lang-Alleinlebenden mit teilweise eremitischen Zügen, in der tiefschürfende Gespräche über essentielle Themen, wie z.B. die menschliche Angst, möglich sind. Schön ist auch die Einbettung in das Zeitgeschehen, in diesem Fall der Brand von Notre-Dame. Brand, Feuer als Symbolik spielt eine Rolle in diesem Roman. Alters-WG ist ein Thema, über das wir alle irgendwann einmal nachdenken und trotz der einen oder anderen Streitigkeit, wirkt das ganze Projekt auf den Leser eher anziehend als abschreckend: ' Mit jeder Woche in Bossin entrückte ich dem allgemeinen Palaver über die zunehmende Kriminalität, diesen oder jenen Extremismus, die verheerende Wirkung der sozialen Medien oder auch nur über ein empörendes Buch ein Stück weiter. Nicht, dass es mich nicht mehr interessierte, aber ich sah es wie aus der Ferne oder als würde ich vom falschen Ende durch ein Fernglas blicken.(66)' Mir gefällt der Sprachstil der Autorin: 'Die Dankbarkeit, die ich in der Nacht empfunden hatte, als ich froh war, zu einer gleichfühlenden Gemeinschaft zu gehören, hielt dem kühlen Morgen nicht stand (40)' oder '(…) deren elegante Erscheinung durch einen weißen Königspudel komplettiert wurde, (...)(57)'. Das Ende ist so offen wie spannend. Der Roman lässt sich sehr gut, auch in einem Rutsch, lesen. Ich habe es sehr gern getan. Zweifel gehören zum Leben dazu, aber mir erscheint diese WG goldrichtig und solche Projekte in Zeiten wie diesen wichtiger denn je. Wir sollten als Gesellschaft wieder zusammenfinden, auch Generationen übergreifend. Uns fehlt in Deutschland ein Minister für Einsamkeit. Der Mensch ist ein soziales Wesen, der Wohnraum knapp. Im Alter, oder überhaupt, allein sein zu müssen, ist gruselig. Das Leben kann schön sein und noch schöner, wenn man von Menschen umgeben ist.