Rezension

Wirrer Erzählstil, undurchsichtige Story ohne mir erkennbarer Message und einem Protagonisten mit verbalem Brech-Durchfall. No Way!!

Deliduman - Emrah Serbes

Deliduman
von Emrah Serbes

Bewertet mit 1 Sternen

Dazu fällt mir nur eins ein - WTF?!

Sommer 2013. Der Gezi-Park in Istanbul. Wasserwerfer und Tränengas. Und ein kleines Mädchen, das den Moonwalk tanzt... Çaglars kleine Schwester Çigdem will mit dem Moonwalk zum YouTube-Star werden. Doch im Sommer 2013 blickt die Welt auf den Taksim-Platz in Istanbul und den Aufstand gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Gäbe es einen besseren Ort zum Tanzen als vor den Wasserwerfern der türkischen Polizei? Çaglar und Çigdem sind zwei unter Tausenden inmitten des größten Volksaufstands, den die Türkei je erlebt hat. Sie hören, sehen, riechen und schmecken den Aufruhr, die Solidarität und den Deliduman, den verrückt gewordenen Rauch. Es geht um nichts weniger als die Zukunft!...(Klappentext)

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Im Frühjahr und Sommer 2013 waren viele Augen weltweit auf die Türkei gerichtet. Der Grund waren die Proteste und Demonstrationen von Bürgern gegen die islamisch-konservative Regierung Erdogans und gegen die übermäßige Polizeigewalt die diese gegenüber Andersdenkenden mit sich brachte. Hier spielte vor allem die Einnahme des Gezi-Parks und die Besetzung des Taksim-Platzes durch die Bürger eine wichtige Rolle. Diese Proteste forderten zahlreiche Verletzte und fünf Todesopfer, vor allem auf der Seite der Demonstranten.

Aufgrund der derzeitigen Lage ist dieses Thema aktueller denn je und ließ mich zu diesem Buch greifen. Vor allem weil der türkische Jungautor Emrah Serbes während dieser Proteste "zur Stimme des Volkes" wurde und darüber live im Fernsehen berichtete.
Ich erwartete einen Roman, der diese Proteste aus der Sicht eines Jugendlichen und seiner neunjährigen Schwester beschreibt und diese eine ganz eigene Art des Widerstandes auf die Beine entwickeln.
Bekommen habe ich einen Roman über einen Jugendlichen der hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist, vom Widerstand und der Protestbewegung keine Ahnung hatte und ihn der Grund dafür nicht mal dann interessierte als er mittendrin war. Ihn und seine neunjährige Schwester interessiert nur wie man am besten mit einem Moonwalk Aufmerksamkeit auf sich ziehen und damit berühmt werden kann.
Als dies mit YouTube nicht funktionierte, weil Videos von diesen Protesten mehr Klicks erhielten (verständlicherweise), empfanden sie dies "nicht als Rebellion gegen die Regierung, sondern gegen seine Schwester". Daher bleibt seiner Schwester gar nichts anderes übrig als dorthin zu reisen, damit sie vor einem Wasserwerfer tanzen kann, um...nein, nicht um die Proteste zu unterstützen und ein Statement zu setzen, sondern um berühmt zu werden.
Von den Protesten rund um den Gezi-Park geht es erst auf den letzten 100 Seiten und da auch nur auf eine Art, als würde ihn, den Hauptprotagonisten, das alles nichts angehen.

Es wird aus der Sicht des 17-jährigen Çaglars erzählt und er war mir von Anfang bis Ende unsympathisch.
Er ist frustriert, wütend auf die Welt und die gesamte Menschheit. Ein Junge mit hohem Aggressionspotenzial und großem Beschützerinstinkt gegenüber seiner neunjährigen Schwester, der aber eher eine krankhafte obsessive Beziehung zu dieser Schwester ist. Er schreckt auch davor nicht zurück einem neunjährigen Jungen zu drohen, der angeblich in seine Schwester verliebt ist. Im Grunde beschimpft  und bedroht er jeden der nicht seiner Meinung ist, dramatisiert alles bis zum Geht-nicht-mehr und dreht jedem das Wort im Munde um. Er spielt sich als Familiensultan auf und es kommt nicht nur einmal zu familiären Streitigkeiten wobei auch die Fäuste fliegen.
Der Autor bedient sich dabei eines Jargons der mich nicht nur einmal die Luft anhalten ließ - z.B.: Çaglar zu seinem Onkel:
      "Mal ganz entspannt bleiben, ja!I Ich ficke gleich deine Hände und
       Füße, klar!"
Im Grunde f**** dieser Junge alles und jeden, sobald er den Mund aufmacht und bedient sich noch einiger anderer tiefer Schimpfwörter, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Und er ist nicht der Einzige in diesem Roman mit verbaler Diarrhoe.

Zudem verliert sich der Autor in Nebensächlichkeiten, die wiederum in Nebensächlichkeiten abdriften. Man bewegt sich quasi mit der Kirche ums Kreuz und wenn man wieder am Ausgangspunkt ist, ist man so verwirrt und hat keinen Ahnung mehr, um was es denn nun im Grunde ging.
Die Umgebungsbeschreibungen konnten mich auch nicht überzeugen, da sie manchmal genauso wirr sind wie die Story selbst.
Die Story? Tja, irgendwie gibt es keine und eine Message konnte ich darin auch nicht entdecken.

Fazit:
Wirrer Erzählstil, undurchsichtige Story ohne mir erkennbarer Message, ein Junge mit sprachlichem Brech-Durchfall im tiefsten Ghettoslang - kurz gesagt: das Buch ist nicht mal annähernd das was ich erwartete.
Im Grunde geht es nur darum berühmt zu werden und dafür ist jedes Mittel, und in diesem Fall jede Demonstration, recht.
Und wenn ich einen Jugendlichen auf derbste Art und Weise schimpfen hören möchte, brauche ich nur vor meine Türe zu gehen und mich vor das türkische Jugendlokal zu stellen, wobei mir diese Jugendlichen noch um einiges sympathischer sind als dieser Çaglar, da diese immer noch sowas wie Respekt haben und man sich mit denen auch normal unterhalten kann, ohne dabei verbal gef**** zu werden.