Rezension

Wo du hingehst, da will auch ich hingehen

Wo der Tag beginnt - Sarah Lark

Wo der Tag beginnt
von Sarah Lark

Wo du hingehst, da will auch ich hingehen

Die tatkräftige und hübsche Bäckerstochter Ruth Helwig fällt aus allen Wolken, als sie von den Plänen ihres Freundes David Mühlen erfährt. Anstatt Ruth endlich den ersehnten Heiratsantrag zu machen und die elterliche Schmiede zu übernehmen, schloss der tief gläubige junge Mann sich einigen Gleichgesinnten an, die im Zuge der Goßner-Mission ausziehen und das Evangelium unter den Maori und Moriori verkünden möchten. Die vier enthusiastischen jungen Deutschen werden jedoch rasch mit der grausamen Realität konfrontiert, als es auf den Chatham-Inseln zu einer blutigen Invasion kommt. Ein Großteil der ansässigen Moriori wird brutal ermordet, die Überlebenden von kriegerischen Maori versklavt. Auch die zierliche Häuptlingstochter der Moriori namens Kimi te Whangaroa wird gefangengenommen. Ihre exzellenten Sprachkenntnisse sind für die Maori unentbehrlich, und ihre Ausbildung als „tohunga ahurewa“ macht Kimi zu einer Hoffnungsträgerin für ihre unterdrückten Stammesgeschwister. Erst als Ruth beschließt, ihrem geliebten David zu folgen und mit zwei weiteren Krankenschwestern auf Chatham Island eintrifft, verändert sich das Leben auf der eroberten Insel zum Besseren. Ruths Diplomatie und das unerschrockene Vorgehen ihrer beiden Begleiterinnen beeindrucken nicht nur die fünf Brüder im Glauben, sondern auch die kampfeslustigen Maorikrieger. Doch die Unruhe unter den Maori-Stämmen verheißt nichts Gutes. Eine Provokation des Maori-Häuptlings Hone Heke führt zu einer Eskalation mit schrecklichen Folgen, und niemand ist sich seines Lebens mehr sicher.

Sarah Lark erzählt in diesem imposanten Roman die Geschichte der Moriori, die auf den Chatham-Inseln im Südpazifik lebten. Ihr Aussehen und ihre spezielle Kultur unterschieden sie von den Maori, sie lebten im Einklang mit der Natur und ihren Göttern, waren gastfreundlich und sehr friedliebend. „Nunukus Gesetz“ untersagte dem Stamm zu töten und gebietet, Frieden um jeden Preis zu halten.

Die Autorin beschreibt in eindringlichen Worten die Invasion durch die Maori, das grauenhafte Massaker an den friedlichen Moriori und das elende Sklavendasein der wenigen Überlebenden. Durch hervorragend charakterisierte handelnde Figuren erhält man einen facettenreichen Einblick in das Leben dieses Volkes, erfährt von ihrem Alltag und ihren Bräuchen. Die Tochter des Moriori-Häuptlings namens Kimi te Whangaroa ist eine der Protagonistinnen dieses Buches. Gespannt darf man das Schicksal des Moriori-Mädchens von ihrem vierzehnten Lebensjahr beginnend verfolgen, erlebt hautnah die Auslöschung ihres Stammes und die Ankunft der weißen Missionare mit. In Ruth Helwig findet man die zweite Protagonistin dieses Buches, die Kimi mit ihrem starken Charakter und stillen Würde in nichts nachsteht. Ruth kämpft um die Liebe eines Mannes, und weiß dabei genau, dass der Weg zu seinem Herzen ausschließlich über den Glauben führt. Ihr Aufbruch in eine völlig ungewisse Zukunft zeugt von Ruths Stärke, das Schicksal formt sie im Verlauf dieser Geschichte zu einer unerschütterlichen und mutigen Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. David Mühlen und Brandon Halloran, die Männer an der Seite dieser imponierenden Frauen, könnten jedoch charakterlich nicht unterschiedlicher sein. Während Brandon alles versucht, um Kimi zu beschützen, bleibt David ein lebensuntüchtiger Träumer. Er stellt seine Liebe zu Gott über alles andere, verliert jedoch dabei die Realität völlig aus den Augen.

Sarah Lark hat ihre Hauptfiguren mit einer beeindruckenden Authentizität ausgestattet. Die gleiche Aufmerksamkeit wird jedoch auch den zahlreichen Nebenfiguren dieses Buches zuteil, die ich allesamt hervorragend charakterisiert empfand. Liebenswürdige Unterstützer und Helfer, aber auch harte und grausame Figuren machen dieses Buch zu einem faszinierenden Abenteuer, das dem Leser an einigen Stellen regelrecht den Atem anhalten lässt. Die Autorin beschönigt das tragische Schicksal des Moriori-Stammes in keiner Weise, und schreckt auch nicht vor bildhaften Beschreibungen im Zuge der Invasion zurück. Das harte Leben der Menschen in dieser unwirtlichen Gegend, die Konflikte zwischen den Weißen – „pakeha“ und den verschiedenen Maori-Stämmen sowie die Geschichte der Goßner-Mission sind zentrale Themen dieses Buches.

Die Autorin präsentiert mit „Wo der Tag beginnt“ einen Roman mit großer Sogwirkung, der durch einen wundervollen und sehr flüssigen Schreibstil, eine interessante Thematik und große Emotionen besticht. Ich möchte dieses Buch jedem ans Herz legen, der historische Fakten in Romanform lesen und Geschichte hautnah miterleben möchte. Die Moriori als Ureinwohner der Chatham-Inseln waren mir bis zu dieser Lektüre gänzlich unbekannt. Sarah Lark hat dies jedoch geändert. Ich wurde nicht nur ausgezeichnet unterhalten, sondern erfuhr – ganz nebenbei – eine Menge über die deutschen Laien-Missionare, die im Zuge der protestantischen Gossner Mission auf die Chatham Inseln kamen, über die Invasion der kriegerischen Maori im Jahr 1835, die beinahe zur Auslöschung der Moriori führte, sowie den neuseeländischen Maori-Häuptling und Auslöser des Fahnenmast-Krieges Hone Heke.

Genauso sollte man Geschichte erleben dürfen – interessant, unterhaltsam, mit Abenteuer und großen Emotionen verbunden. Fünf Bewertungssterne für dieses beeindruckende und fesselnde Buch!