Rezension

Wo liegt eingentlich Besserland?

Besserland - Alexandra Friedmann

Besserland
von Alexandra Friedmann

Bewertet mit 5 Sternen

Besserland – das ist das Land, in das die Familie bald auswandern will. Das jedenfalls verspricht der Vater seiner Tochter im Prolog des Buches.
Besserland ist ein magisches Land, fast wie ein Märchen, nur dass alles, was man sich darüber erzählt, wahr ist.  
Diese stark autobiographisch beeinflusste Geschichte nimmt in Gomel in Weißrussland ihren Anfang. Hier lebt in den späteren Achtzigern Sanja mit Vater Edik und Mutter Lena, die Veränderungen im gesamten Ostblock machen sich mehr oder weniger stark bemerkbar, noch immer ist der Alltag geprägt von Mangelwirtschaft und die Menschen haben sich darin eingerichtet. Aber jetzt spricht man von Perestroika, am Alltag ändert das zunächst wenig. Nach wie vor sind auch die Jobs unsicher, auch eine kurzzeitige Selbstständigkeit hilft da nicht weiter.
Von Verwandten hören sie erfolgreiche Auswanderungsberichte und so wird auch ihr Ziel schon sehr bald Amerika – Besserland. Nach umfänglichen Vorbereitungen vom Anstehen nach den entsprechenden Papieren und Fahrkarten bis zum Verkauf des Hausrats und der Anschaffung mannigfaltiger, mehr oder weniger wertvoller und/oder sinnvoller Dinge, die auf der langen Reise als Tausch- und Bestechungsware herhalten soll, geht es endlich los. Man hat sich auch von den entferntesten Familienangehörigen verabschiedet, hat Vereinbarungen getroffen, dass diese anderen doch baldmöglichst nachkommen sollen, wenn die Erfolgsberichte der eigenen Auswanderung nach Hause geschickt werden.
Dann geht es endlich los – und schon bald liegen kleine und größere Steine im Weg in das Besserland. An einem Tag verpassen sie wegen ihres umfangreichen Reisegepäcks ihren Anschlusszug, an einem anderen Tag konfisziert der Zoll einen großen Teil ihrer Waren. Über Umwege und mit Hindernissen gelangen sie nach Wien, von dort soll es eigentlich weiter nach Italien gehen …. 

Doch unterwegs werden die Pläne etwas unfreiwillig geändert. Und so landet die Familie im noch besseren Besserland, von dem sie jetzt soviel gehört haben und dieses Land heißt Deutschland. Hier, so heißt es, gibt es „ein bombensicheres Sozialsystem, man bekommt eine Wohnung mit zwei Kinderzimmern, einen Kühlschrank und kostenlose Sprachkurse …. und wenn man spart, kann man sich schon bald ein Auto kaufen, einen kleinen Mercedes oder Volkswagen ….“.
Warum also noch den beschwerlichen Weg über den Ozean auf sich nehmen, wenn doch die Erfüllung aller Wünsche so nah liegt. Nach einigen Anfangsunterkünften gibt es endlich die erste eigene Wohnung, von den zwei Kinderzimmern keine Spur und ein Auto rückt erst einmal in weite Traumferne.

Dieser humorvoll erzählte Bericht besticht zum einen durch die vielen Figuren, die die Familie auf ihrem Weg begleiten, die ihnen in der ein oder anderen Gelegenheit oder Stadt Hilfe gewähren oder sich auch als Behinderung erweisen. Diese Personen sind in vielen Fällen von einer liebenswerten Verschlagenheit, gehen das Leben mit Bauernschläue und dem Blick immer auf den eigenen Vorteil gerichtet an. Die Farbenprächtigkeit der unterschiedlichsten Menschen und Situationen wird in den Regenbogenfarben des Umschlags auf eine sehr schöne Weise nachempfunden. Sprachlich glänzt dieser Roman zum einen durch so viele wunderbare Metaphern, andererseits aber auch durch seine Weitschweifigkeit. Jeder neue Gedanke wirft zugleich viele Erinnerungen an das Leben in Weißrussland auf, die dann umfassend erzählt werden. Dieser wiederkehrende Wechsel zwischen dem aktuellen Geschehen und den Erinnerungen ist eine einzige Lesefreude. Dieses Buch kann und möchte ich uneingeschränkt empfehlen.