Rezension

Würdest du die Zeit ändern, wenn du die Möglichkeit hättest?

Das andere Tal -

Das andere Tal
von Scott Alexander Howard

Ein Roman über das Zeitreisen und die philosophische Frage danach, ob wir es tun sollten, wenn wir es könnten.

Mit seinem Debüt-Roman „Das andere Tal” versucht sich Scott Alexander Howard am Thema Zeitreisen und ihren Komplikationen.

Die Protagonistin in „Das andere Tal“ ist die junge Odile.
Sie lebt in einem kleinen Tal, welches im Osten und Westen an weitere Täler grenzt. Das besondere hierbei ist, dass es immer die gleiche Stadt ist. Allerdings auf unterschiedlichen Zeitebenen. Sodass wenn man von Odiles Tal ausgeht, Täler in 20 Jahren in der Zukunft und in 20 Jahren in der Vergangenheit existieren.

Ein Reisen zwischen Tälern wird streng reglementiert vom Conseil, diese dürfen nur einmalig und auch nur im Trauerfall besucht werden. Abweichungen werden streng geahndet. Dieses rigide System in dem Odile aufwächst ist sehr düster, restriktiv und versprüht an jeder Ecke eine gewisse Tristess.
Als Odile durch einen Zufall herausfindet, dass ihr Jugendfreund Edme wahrscheinlich früh versterben wird, steckt sie in der Zwickmühle.
Wird Odile es verhindern, indem sie sich der herrschenden Obrigkeit widersetzt und riskieren, dass die Zukunft so niemals existieren wird?

Der Roman, den ich anfangs noch in die Kategorie Coming of Age gesteckt hatte, entwickelte sich schnell zu einer melancholisch, dystopischen Geschichte. In dieser werden viele philosophische Fragen aufgeworfen.
Der Schreibstil von Scott Alexander Howard ist unaufgeregt und ruhig, weiß aber durch pointierte fast schon poetische Momente zu glänzen, wie die Beschreibungen der Natur oder von Musik.

Was meinen Lesefluss zunächst sehr gestört hat, waren die fehlenden Anführungszeichen bei der wörtlichen Ansprache zwischen den Figuren. So musste ich sehr genau lesen und zuweilen auch ein zweites Mal um den Inhalt nicht misszuverstehen.

Eine weitere mutige Entscheidung des Autors war es seine Protagonistin so passiv angepasst und fast schon antriebslos darzustellen. Diese fehlende Motivation könnte einige Lesende vom Weiterlesen abschrecken. Nichtsdestotrotz passt dies aus meiner Sicht ganz hervorragend zur Grundstimmung des Romans. Und trotzdem hofft man unweigerlich die ganze Zeit, dass sie endlich etwas ändert und zu einer tatsächlichen Heldin ihrer eigenen Geschichte wird.

Absolut hervorragend fand ich es, wie der Autor den Bogen zwischen Zukunft, Gegenwart & Vergangenheit geschaffen hat.
Ich liebe es, wenn etwas von vornherein so gut durchdacht ist, dass es offene Fäden so gut eingewebt in der Geschichte, dass sie am Ende wieder sinnvoll aufgenommen und zu Ende gebracht werden können.

„Das andere Tal“ überzeugt mit einem ruhigen, eher düsteren Gesamt-Setting, welches den Lesenden über verschiedene philosophische Fragestellungen nachgrübeln lässt. Dieser Roman lohnt sich auf jeden Fall in einer Gruppe zu lesen und sich über ihn auszutauschen.