Rezension

Wunder des Glaubens

Und jenseits der Berge das Leben - Elizabeth Musser

Und jenseits der Berge das Leben
von Elizabeth Musser

Bewertet mit 5 Sternen

„...Es war wohl wie eine Art Offenbarung, denn ich sah die ganze Situation wie von außen und merkte, was Gott tat. Er hatte alles zusammenwirken lassen, damit ich diesen Augenblick erlebte und bereit wurde, mit ihm den nächsten Schritt zu gehen...“

 

In den Mittelpunkt des Romans stellt die Autorin die Oase, eine christliches Begegnungszentrum in der Nähe von Wien, wo sich die Mitarbeiter um Flüchtlinge kümmern. Hier treffen Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen aufeinander.

Bobbie ist Amerikanerin. Sie war einst Bibelschmugglerin, das heißt, sie brachte Bibeln nach Rumänien. Außerdem arbeitete sie in der Oase. Doch nach dem Tode ihres Schwagers kehrte sie in die USA zurück, um ihrer Schwester bei der Erziehung der sechs Kinder zu unterstützen. Sie hat die Oase nie wieder besucht. Warum, ist ihr Geheimnis. Jetzt aber kehrt sie zurück. Sie ist unheilbar an Krebs erkrankt und hat sich zu einer letzten Europareise entschlossen. Begleitet wird sie von ihrer Nichte Tracie. Die junge Frau ist eine begnadete Sängerin. Nach dem plötzlichen Bruch ihrer Beziehung zu Neil will sie ihr Leben neu ordnen.

In Iran bekommt Rasa von ihrer armenischen Freundin ein Neues Testament geschenkt. Das kann lebensgefährlich werden. Um seine Familie zu schützen, flieht Hamid, ihr Vater. Er hofft, dass man dann seine hochschwangere Frau und seine kleine Tochter in Ruhe lässt.

Zusammen mit 12 amerikanischen Studentinnen war Connie in die Oase gekommen. Sie war etwa 50 Jahre alt und einsam. Die Oase gibt ihr eine Aufgabe und ihrem Leben kurzzeitig einen Sinn. Stephen, ihr Sohn, ist ob der Wandlung skeptisch und macht sich ebenfalls auf nach Wien. Er ist Journalist und lebt in Atlanta.

Das sind nur einige der Protagonisten, die ich wenige Wochen auf ihren Weg begleiten darf.

Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen christlichen Roman geschrieben. Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Es sind Menschen mit Stärken und Schwächen. So muss sich Bobbie mit einem Erlebnis aus ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Die Rückkehr in die Oase erinnert sie an die schmerzlichsten Stunden ihres Lebens. Tracie hat sich vom Glauben gelöst. Der Tod ihres Vaters war der Auslöser dafür. Hamid dagegen hört auf der Flucht christliche Sendungen. Er gewinnt Vertrauen zu Isa, wie er Jesu nennt, und spürt seine Nähe. Fragen des Glaubens spielen im Buch eine entscheidende Rolle. Dem ordnet sich der Schriftstil unter. So ist nicht nur für die Mitarbeiter der Oase das gemeinsame Gebet Halt und Hilfe. Besonders beeindruckend ist Rasa kindlicher Glaube. Von ihrer armenischen Freundin hat sie einiges über Isa erfahren. Nun hält sie unerschütterlich an diesen Worten fest. Sehr detailliert werden sowohl Hamids als auch die Flucht seiner Familie aus dem Iran beschrieben. Die Autorin versteht, die Strapazen und Gefahren, aber auch die Momente der Bewahrung in passende Worte zu kleiden. Obiges Zitat stammt von Bobbie, die sich Schritt für Schritt den dunklen Kapiteln ihrer Vergangenheit nähert. Vor allem das Wiedersehen mit Amir, ihren einstigen Freund, weckt schmerzliche Erinnerungen und Schuldgefühle. Es geht um Einsicht, Vergebung und Neuanfang. Die Anforderungen der Gegenwart sorgen dafür, dass Bobbie noch einmal über sich hinauswächst. Die Vielschichtigkeit der Geschichte wird sprachlich dadurch betont, dass das Geschehen jeweils aus Sicht eines Protagonisten geschildert wird. Das heißt allerdings nicht, dass alle auch Ich-Erzähler sind. Rückblicke in die Vergangenheit und Telefongespräche mit Amerika werden kursiv dargestellt.

Das Cover mit dem jungen Paar auf dem Berggipfel beim Sonnenuntergang wirkt wie ein Zeichen der Hoffnung.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Allerdings bleibt zu ergänzen, dass die Gegenwart die Geschichte schon überholt hat. Hamids Flucht spielt im Jahre 2005. Es ist eines von vielen Einzelschicksalen. Das zeigt sich auch daran, dass er auf seinen Weg stets nur wenige Begleiter hatte und dass die Verfolgung der Flüchtlinge gut organisiert war. Mit Beginn der Massenflucht dürfte sich einiges daran geändert haben.