Rezension

Wunderschöner, vielschichtiger Familienroman über Grenzen und Generationen hinweg

Das Tiefland - Jhumpa Lahiri

Das Tiefland
von Jhumpa Lahiri

Bewertet mit 5 Sternen

Jhumpa Lahiri ist eine von zahlreichen jungen Autorinnen, deren Dasein geprägt ist von verschiedenen Kulturen. Ähnlich wie Taiye Selasi und Chimamanda Ngozi Adichie dies tun, verarbeitet Lahiri dieses Leben zwischen den Kontinenten in ihren Romanen.

 

Lahiris Eltern stammen aus Bengalen. Sie wurde in England geboren und wuchs in Rhode Island, USA auf.

In ihrem jüngsten Roman „Das Tiefland“ spannt sie den Bogen zwischen indischer Geschichte und nordamerikanischer Lebenswirklichkeit. Einfühlsam und weise schildert sie das Leben da und dort. Was passiert mit Menschen, wenn sie ihre Heimat aufgeben und in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent neu anfangen? Was bleibt vom alten Leben? Was verliert sich? Was passiert mit denen, die geblieben sind?

 

Allgemeingültige Antworten auf diese Fragen gibt Lahiri nicht. Sie erzählt stattdessen die Geschichte zweier Brüder: Subash, der Ältere, ist zurückhaltend und introvertiert, sein Bruder Udayan dagegen ist aufgeschlossen, abenteuerlustig und zu allem bereit: eine Kämpfernatur. Sie wachsen gemeinsam auf im Haus ihrer Eltern am Rande von Kalkutta, das direkt neben einem großen, mit Wasserhyazinthen überwucherten Tiefland liegt.

Das Verhältnis der Brüder ist eng. Sie unternehmen fast alles gemeinsam und vertrauen sich bedingungslos. Beide sind intelligent und können nach ihrem erfolgreichen Schulabschluss Mitte der Sechziger Jahre in Kalkutta ein Studium beginnen.

Subash widmet sich intensiv seinen naturwissenschaftlichen Forschungen und strebt ein Leben als Wissenschaftler an. Udayan dagegen interessiert sich zunehmend für Politik. Er träumt von einer gerechteren Welt und versucht aktiv gegen die in Indien herrschende Ungleichheit anzukämpfen. Gleichgesinnte findet er bei den Naxaliten, einer Splittergruppe der Kommunistischen Partei Indiens. Mit ihrem Namen erinnern sie an einen Bauernaufstand in dem kleinen Dorf Naxalbari, der von bewaffneten Regierungstruppen niedergeschlagen wurde.

Diesen Weg kann Subash nicht mitgehen. Er bewirbt sich für ein Stipendium in den USA und beginnt dort, in Rhode Island, seine wissenschaftliche Karriere.

Der Kampf Udayans endet nicht gut und Subash fliegt nach Hause, um seinen Eltern und seiner Schwägerin Trost zu spenden.

 

Lahiri erzählt ihre Geschichte ruhig und ohne Eile. Sie zeigt viel Liebe und Verständnis für ihre Figuren, die sich durchs Leben kämpfen und versuchen das Richtige zu tun. Trotzdem laden sie Schuld auf sich und begehen Fehler, für die sie selbst, und jene, die ihnen nahestehen, büßen müssen.

 

Zurück in den USA gelingt es Subash sich ein neues, eigenes Leben aufzubauen, doch eine falsche Entscheidung, aus Pflicht- und Traditionsbewusstsein heraus getroffen, trübt alles ein. Das persönliche Glück bleibt aus, stattdessen legt sich ein Schleier aus Melancholie und Einsamkeit über seine Familie. Subash scheint festzuhängen zwischen zwei Welten und mit ihm seine Frau und seine Tochter. Es dauert lange, bis alle zu sich gefunden haben und wieder aufeinander zu gehen können.

 

Fast schon nebenbei zur Geschichte der Brüder, erzählt Lahiri ein Stück indischer Vergangenheit und nimmt uns mit auf diesen fremden Kontinent, in eine andere Zeit. Mit ihren wohlformulierten, eleganten Sätzen malt sie farbenprächtige Bilder in unsere Köpfe und weckt, bei aller Tragik, Verständnis für ihre Figuren.

Jhumpa Lahiri hat mit „Das Tiefland“ ein außergewöhnliches Stück Literatur geschaffen, das erstaunlich viele Themen zusammenführt und damit von der ersten bis zur letzten Zeile fesselt. Sie hat einen wunderschönen, vielschichtigen Familienroman geschrieben, der über Grenzen und Generationen hinweg funktioniert und den Blick öffnet auf andere Menschen, Kulturen und Länder.

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 03. Februar 2015 um 10:36

Stimmt!