Rezension

Wunderschönes Hausbuch rund um das ostfriesische Weihnachtsfest

Das große Weihnachtsbuch Ostfriesland - Carsten Tergast

Das große Weihnachtsbuch Ostfriesland
von Carsten Tergast

Bewertet mit 4 Sternen

»Dieses Buch soll mit seinem Streifzug durch das weihnachtliche Ostfriesland zeigen, wie eng Tradition und Gegenwart miteinander verwoben sind. … Gerade an Weihnachten spüren wir oft das Bedürfnis, uns an alte ostfriesische Bräuche zu erinnern, die plattdeutsche Sprache zu hören und dieses Fleckchen Erde im äußersten Nordosten Deutschlands mit ganz eigenen Augen zu sehen.«

Ich lebe nicht Ostfriesland, aber ich mag diese Ecke von Deutschland und mache dort sehr gerne Urlaub. Das Land hat sein ganz eigenes Flair und als ich daher dieses wunderschöne Buch entdeckte, wurde ich sofort neugierig, welche weihnachtlichen Besonderheiten es dort so gibt.

 

Es sind eine ganze Menge, das Buch bietet reichlich interessante Entdeckungen. So wird über Brauchtum berichtet und über Traditionsgeschichtliches – wann gab es beispielsweise die ersten Weihnachtsbäume in Ostfriesland? Und seit wann wird dort eigentlich (wie bei uns) am 24. Dezember groß gefeiert? In diesem Zusammenhang lernte ich den Sünnerklaas kennen und erfuhr, was ihn vom Weihnachtsmann unterscheidet.

Die Bedeutung der plattdeutschen Sprache ist ein weiterer wichtiger Punkt, außerdem wird auf mehrere Inseln geblickt und besondere Weihnachtsbräuche (zum Beispiel auf Borkum oder Wangerooge) beschrieben. Hochinteressant auch das Kapitel über die furchtbare Weihnachtsflut von 1717, der (je nach Quelle) bis zu 12.000 Menschen zum Opfer fielen! Undramatisch aber interessant fand ich die Ausführungen zu den Arten von winterlichem Friesensport, es gibt halt mehr als Ski und Rodel ;-)

Fasziniert las ich von der Orgellandschaft Ostfriesland. Wer hätte gedacht, dass es dort mehr als 90 historische Orgeln aus sechs Jahrhunderten gibt! Beim nächsten Besuch (auch außerhalb der Weihnachtszeit) ist der Besuch eines Orgelkonzerts fest eingeplant!

Oder die Küstenfunkstelle, eine weitere Besonderheit! Ich erinnere mich aus meiner frühen Kindheit an die Weihnachtsgrüße von Radio Norddeich, denen wir (auch fern der Küste) gerne lauschten, weil sie so anrührend und stimmungsvoll waren. Ich las jetzt überrascht, dass es auch nach dem Ende von Radio Norddeich immer noch den „Gruß an Bord“ gibt, dass man an Heiligabend immer noch zuhören kann, wie Seeleute auf den Weltmeeren ihre Familien daheim grüßen (und umgekehrt).

Ich könnte noch so viel aufzählen! Immer mehr verdichtete sich bei mir die Erkenntnis, dass die Friesen in Sachen Weihnachten wirklich viel zu bieten haben!

In einem solchen Weihnachtsbuch dürfen natürlich auch Rezepte nicht fehlen, ich las von landestypischen Leckereien, von denen ich teils noch nie gehört hatte. Aber dieses Buch liefert nicht nur viele Informationen, es lädt auch zum Blättern ein. Es ist ein Buch, das man richtig genießen kann, weil es so wundervoll traditionell und stimmungsvoll ist, so randvoll mit schönen Fotos, herrlichen alten Bildern, Zeichnungen und abgedruckten Postkarten, deren Betrachtung viel über Tradition und Geschichte erzählt. Dazwischen Lieder und Gedichte und – auch sehr schön – ein paar Seiten für eigene Eintragungen.

 

So weit ist alles pures Lesevergnügen, leider habe ich aber auch zwei Kritikpunkte. Beide resultieren daraus, dass der Autor sich offenbar nicht vorstellen kann, dass irgendjemand sein Buch liest, der kein Ostfriese ist. Und der kein plattdeutsch spricht. Beherrschen wirklich alle Ostfriesen diese alte Sprache? Ich habe auch gar nichts dagegen, dass er Texte (meist Gedichte und Lieder) in plattdeutsch aufführt, finde das sogar gut, weil die Sprache nun mal zum Brauchtum gehört. Aber noch besser hätte ich es gefunden, wenn eine hochdeutsche Übersetzung danebengestanden hätte. Das wäre doch sicher möglich gewesen, zumindest im Anhang. Aber es gab nicht mal ein Glossar, was dazu führte, dass das Lesen dieser Texte sehr mühselig war und ich es bei weitem nicht schaffte, alles zu verstehen. Schade. Mit einer zusätzlichen Übersetzung wäre ich viel besser in der Lage gewesen, mich mit der Sprache auseinanderzusetzen.

Punkt Nummer zwei geht in eine ähnliche Richtung. Bei den Rezepten gibt es keine Fotos von den entsprechenden Gerichten bzw. Backwerken. Das habe ich vermisst, zumal wenn ich bei einem Rezept einen Hinweis auf die „typische Form“ lese, aber leider keine Ahnung habe, wie diese denn auszusehen hat.

 

Fazit: Wunderschönes Hausbuch rund um das ostfriesische Weihnachtsfest, informativ und stimmungsvoll. Ein wenig Rücksicht auf interessierte Nicht-Ostfriesen wäre aber nett gewesen!