Rezension

Wundervoll!

Ein ganzes halbes Jahr, 2 MP3-CDs - Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr, 2 MP3-CDs
von Jojo Moyes

Die Story: Ein halbes Jahr soll Louisa Clark sich um den Tetraphlegiker Will Traynor kümmern. Zunächst ist ihr der übellaunige Mann zuwider, doch als Lou herausfindet, wieso sie nur für ein halbes Jahr angestellt ist, setzt sie alles daran, Will aufzumuntern.

Auf den Punkt gebracht: Was für ein berührendes und zugleich nachdenklich stimmendes Buch. Sehr empfehlenswert.

In mehr Worten:

"Als er aus dem Bad kommt, ist sie wach, hat sich gegen das Kopfkissen gelehnt und blättert durch die Reiseprospekte, die neben seinem Bett gelegen haben."

Vor dem Unfall war Will Traynor ein Mann, der sein Leben in vollen Zügen genossen hat. Ein guter Job, viel Geld, schöne Frauen und abenteuerliche Reisen - Will hat nichts ausgelassen. Nach dem Unfall ist er an einen Rollstuhl gefesselt und kann sich ab den Schultern abwärts nicht mehr bewegen. Will möchte sterben.

Louisa Clark hat ihr ganzes Leben in dem verschlafenen Städtchen unterhalb der Burg verbracht und in dem angrenzenden Cafe gearbeitet. Doch dann verliert Lou ihren Job und die einzige Möglichkeit für sie und ihre Familie sich über Wasser zu halten, ist die Stelle als Wills Betreuerin.

Beide Charaktere lernen wir so richtig ab dem Punkt kennen, an dem Louisa anfängt für Will zu arbeiten. Will ist Lou gegenüber ein Scheusal, er ist abweisend und herablassend. Lou gibt sich zwar redliche Mühe, schafft es aber kaum an ihn heranzukommen. Sie beißt die Zähne nur zusammen, weil ihre Familie auf das gute Geld, das sie bei den Traynors verdient, angewiesen ist.

Man kann sich kaum vorstellen, dass diese beiden sich irgendwann annähern werden, bis Lou von etwas erfährt, das sie anders über Will denken lässt. Von diesem Moment an, gibt die lebensscheue junge Frau sich alle Mühe, Will davon zu überzeugen, dass sein Leben trotz seiner Situation, noch lebenswert ist. Sie schafft es, Will wieder ein wenig mehr zu dem Mann zu machen, der er einmal war, und Will zeigt ihr im Gegenzug die Frau, die Lou sein könnte. Die Entwicklung, die diese beiden Charaktere durchmachen, lässt wohl niemandes Herz kalt.

Aber nicht nur die Protagonisten sind wunderbar und lebendig gezeichnet. Wills angespannte Mutter, bricht einem trotz ihres oftmals unterkühlten Verhaltens, an der einen oder anderen Stelle das Herz. Sein Krankenpfleger Nathan agiert als Fels in der Brandung und bietet einen verlässlichen Ruhepol. Lous Familie zeigt von Engstirnigkeit über mangelnden Respekt gegenüber ihrer älteren Tochter Lou, bis hin zu Herzlichkeit und Zusammenhalt, etliche Facetten. Die Charaktere dieser Geschichte sind definitiv eine große Stärke des Buches.

Die zweite ist der zugrunde liegende Konflikt: Ab wann ist ein Leben nicht mehr lebenswert? Kann ein Mensch wirklich darüber entscheiden, dass er nicht mehr leben möchte und darum bitten, seinem Dasein ein Ende zu setzen? Sollten die Menschen, die dabei helfen, strafrechtlich verfolgt werden, oder nicht? Beim Lesen stellen sich so einige Fragen und die Autorin schafft es, keinen Finger zu erheben und angestrengt in eine bestimmte Richtung zu lenken - nein, hier kann und soll man sich letztendlich selbst ein Bild machen. Ich persönlich konnte dieses Buch nicht zuschlagen, ohne darüber nachzudenken, welche Haltung ich Wills Situation und Umgang damit entgegenbringe. Gerade das gibt der Liebesgeschichte von Lou und Will, das gewisse etwas und eine Tiefe, die nur wenige Storys aufweisen.

Ein ganzes halbes Jahr ist trotz der seicht anmutenden Prämisse ein vielschichtiges Buch. Es geht um Liebe; darüber, über sich selbst hinauszuwachsen, seine Vergangenheit endlich loszulassen, aber auch darum, zu akzeptieren, dass man nicht immer einer Meinung sein kann.

Schlussendlich kann man beide Seiten verstehen und ein richtiges "Recht haben" gibt es bei einem solch sensiblen Thema wahrscheinlich nicht.

Fazit:
Ein ganzes halbes Jahr ist eine wunderschöne Geschichte, die zum Lachen und zum Weinen, zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregt. Unbedingt lesen!