Rezension

Zeit nehmen, es lohnt sich

Flamingo -

Flamingo
von Rachel Elliott

Bewertet mit 4 Sternen

„Wie hartnäckig der menschliche Geist sich gegen sich selbst wendet. Als Spezies halten wir uns für so hoch entwickelt und überlegen, doch in der Höhle unserer Gedanken dreschen wir alle mit Knüppeln auf uns ein.“

Daniel Berry hat seinen Job und seine Liebe verloren, hat sein Haus und seine ganzen anderen Habseligkeiten verkauft und lebt jetzt auf der Straße. Nur sein weißes Keramikschaf begleitet ihn auf seinem neuen Lebensweg. Er versucht über die Runden zu kommen, seinen Schmerz zu verarbeiten und trifft dabei auf freundliche, ihm wohlgesonnene Menschen, aber auch auf bösartige Passanten, die ihn anpinkeln während er schläft. Unfassbar!

Rae ist die zweite Hauptprotagonistin, die Nähe nicht wirklich aushalten kann. Diese erträgt sie weder von ihrer Familie noch von anderen Personen aus ihrem sozialen Umfeld. Am liebsten ist sie alleine und dann aber auch wieder nicht. Sie ist die beste Kundin des FaZ Portals. Bei „Fremde auf Zeit“ kann man fremde Personen buchen, die einem zum Essen, ins Theater oder zu einer Veranstaltung begleiten. Man muss sich mit ihnen nicht tiefgründig auseinandersetzen, man ist aber auch nicht ganz alleine. Für Rae ist das genau das Richtige. Während Daniel und Rae in ihren obskuren Lebenssituationen festhängen, treffen sie aufeinander. Und man sollte es nicht glauben, aber beide verbindet ein gemeinsamer Tag am Meer mit einer Frau, die beide sehr gerne mochten. Können Sie gemeinsam ihre Leben retten, bevor sie untergehen?

In Rachel Elliotts nimmt die Leser in ihrem neuen Roman mit in die „Welt“ von, zunächst, zwei skurril anmutenden Charakteren. Doch wenn man diese im Laufe der  Zeit näher kennenlernt, sind sie gar nicht so eigen. Haben sie nicht mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen wie die Leser und haben sie nicht einfach nur Lebensstrategien entwickelt, um mit ihrem Alltag einigermaßen zurecht zu kommen? Manche Sätze von Rachel Elliott sind poetisch und tiefgründig. Man muss sie nachwirken lassen, um ihren Zauber kurz festzuhalten. Grundsätzlich benötigt man bei Büchern von Rachel Elliott, wie ich finde, etwas Zeit um in den Schreib- und Gedankenfluss ihrer Geschichten hineinzukommen. Es empfiehlt sich längere Passagen am Stück zu lesen, sonst fällt man immer wieder aus der Geschichte raus. Besonders schwer fiel es mir hier bei „Flamingo“. Den Anfang empfand ich schleppen, aber dann nimmt die Handlung Fahrt auf. Die Erzählperspektive wechselt zwischen Rae und Daniel. Dadurch kommt man den Charakteren, wie ich finde, sehr nah. Man lernt sie nach und nach besser kennen und versteht wieso sie so sind, wie sie sind.

Fazit:

Ein tiefgründiger Roman, der seine Wirkung entfaltet wenn man sich ihm voll und ganz widmet. Es lohnt sich!