Rezension

zeitlose Phantastik auf hohem Niveau

Das Böse kommt auf leisen Sohlen - Ray Bradbury

Das Böse kommt auf leisen Sohlen
von Ray Bradbury

Bewertet mit 4.5 Sternen

Jim und Will sind Freunde, sie sind dreizehn Jahre jung aber in jener Woche im Oktober wurden sie über Nacht erwachsen – entglitt ihnen ihre Kindheit.
Es ist zu spät im Jahr für einen Zirkus und doch hält "Cooger & Darks Pandämonium-Schattenspiele" mitten in der Nacht Einzug in die Stadt. Doch mit dem Jahrmarkt stimmt etwas nicht, das spüren die beiden Jungen sofort. Für die Fahrt auf dem Karussell zahlt man einen hohen Preis, einer der Direktoren trägt sonderbare Tätowierungen am ganzen Körper und die Zirkusleute sind höchst sonderbar. Jim und Will spionieren dem Zirkus nach und beobachten etwas Furchterregendes, doch wer wird ihnen Glauben schenken?

Leseeindruck

"Das Böse kommt auf leisen Sohlen" (OT: Something Wicked This Way Comes) wurde bereits 1962 von Ray Bradbury verfasst und doch entbehrt es in keinster Weise an Aktualität und Raffinesse. Es ist eine düstere Coming-Of-Age Geschichte, die mit einem wunderschönen, fast poetischen Schreibstil glänzt und hervorragend zu unterhalten weiß. Die Charaktere sind scharf gezeichnet, vielschichtig und interessant. Bradbury lässt Magie und Melancholie in seine Erzählung einfließen und bannt den Leser mit einer spannenden Erzählweise. Dieser Roman ist so bunt wie seine Figuren – er handelt von Freundschaft, von Liebe, vom Kampf Gut gegen Böse, vom Verlust der Unschuld und vom Gewinn an Selbstvertrauen, Stärke und Weisheit. Gleichermaßen wirft er auch im Ansatz philosophische Fragen auf.

"Was sind wir also, alles in allem? Wir sind die wissenden Geschöpfe, und wir wissen zu viel. Wir tragen eine so schwere Last, daß wir wiederum vor der Wahl stehen, ob wir lachen oder weinen sollen. Kein anderes Tier kann lachen oder weinen. Wir tun beides, je nach Zeit und Laune."

"Aber ich hab immer so geschuftet und hab gedacht, ich kann erst heiraten, wenn ich das Böse ganz überwunden habe. Erst zu spät kam ich dahinter, daß man nicht warten darf, bis man vollkommen ist. Daß man hingehen und fallen muß und sich wieder erheben, wie es alle tun."

Und so spielt Bradbury mit seinem Leser das alte Spiel der Sehnsüchte, Hoffnungen und Entscheidungen, erzählt von Kindern, die es kaum erwarten können, endlich erwachsen zu sein und von Vätern, die sich alt und ausgelaugt fühlen und das Glück in der Jugend erhoffen. "Cooger & Dark" bieten, was sie ersehnen, doch der Preis dafür ist hoch und jeder muss selbst entscheiden, ob er ihn zahlen möchte.

Fazit

Ein besonderer Roman, gespickt mit Fantasie, Kreativität und Moral, der mich fesseln und begeistern konnte. Auf leisen Sohlen schleicht sich hier das Böse an und weiß den Leser zu gruseln. Mit seiner bildhaften und poetischen Sprache schafft Bradbury eine zeitlose Geschichte, die sich auch nach der Lektüre noch gnadenlos festklammert. Doch: "Das Böse hat nur so viel Macht, wie wir ihm zugestehen."