Rezension

Zeitreise eines Rabbis

Der gefrorene Rabbi
von Steve Stern

In der Tiefkühltruhe seiner Eltern entdeckt Bernie Karp einen alten Mann, der in einem Eisblock eingefroren ist: Rabbi Elieser ben Zephir, vor 120 Jahren während einer Meditation eingefroren. Durch einen Stromausfall taut der Block auf und der Rabbi findet sich in eine neue Welt katapultiert. Er nutzt die Chancen, gründet ein "Haus der Erleuchtung" und genießt das neue Leben. Bernie dagegen interessiert sich zum ersten Mal für die Wurzeln seiner Familie und beschäftigt sich mit dem Judentum und Transzendenz...

Die Idee, eine Art Zeitreise, ist nicht neu. Das plötzliche Hineingeworfensein in eine andere Zeit und eine neue Kultur mit fremden Werten wird wenig ausgearbeitet; der Rabbi hat keine Probleme, sich zurechtzufinden. Seine Reaktion auf das heutige Amerika ist mit viel ironischer Gesellschaftskritik verbunden; die Sinnsuche des modernen Menschen, die sich so oft in Entertainment und Esoterik erschöpft, wird humorvoll angedeutet. Fasziniert hat mich der Erzählstrang, wie sich Bernies Vorfahren um den eingefrorenen Rabbi gekümmert haben; in dieser Familiensaga spannt sich der Bogen vom osteuropäischen schtetl über die Einwanderung nach Amerika und macht einen Schlenker zur Gründung des Staates Israels, während der Holocaust nur angedeutet wird. Besonders die Figur der Jochebed hat mich angesprochen. Der Autor Steve Stern geht auch sprachlich mit seinen Figuren mit, und so verwendet z. B. der Rabbi viele jiddische Ausdrücke; das angefügte Glossar ist hier zum Verständnis sehr hilfreich.

Der Erzählstrang der Familie hat mich gefesselt; der aufgetaute Rabbi allerdings weniger. Daher für mich: Zwar eine nette Unterhaltung, aber viel verschenktes Potential.