Rezension

Zu gut, um wahr zu sein?

Zu gut, um wahr zu sein - Catherine Alliott

Zu gut, um wahr zu sein
von Catherine Alliott

Bewertet mit 4 Sternen

Das Buch umfasst 573 Seiten und gliedert sich dabei in 34 Kapitel. Diese haben genau die richtige Länge, um abends vor dem Einschlafen noch schnell ein bis zwei Kapitel zu lesen, sind aber auch lang genug, um den Lesefluss zu erhalten.

Protagonistin und gleichzeitige Ich-Erzählerin ist Evie Hamilton, die glücklich mit Anthony, einem erfolgreichen Dozenten und Buchautor verheiratet ist. Beide haben eine reizende Tochter, Anna, 14 Jahre. Evie ist ein Familienmensch und genießt es, ihr Leben vollumfänglich ihrem Mann und ihrer Tochter widmen zu können, ohne sich um berufliche Verpflichtungen sorgen zu müssen. Doch Evie musste auch schon einiges in ihrem Leben verkraften. Da wäre nicht nur die Tatsache, dass sie zu ihrer Mutter noch eine Stiefmutter dazu bekommen hat, sondern auch der Tod ihres Vaters musste überstanden werden. Doch alle Tiefen haben Evie zu der Person geprägt, die sie heute ist. Sie ist stark und selbstbewusst und lässt sich auch nicht von dem Neid ihrer Schwägerin beeindrucken, die immer das haben will, was Evie hat.

Doch Evies traute Welt bekommt einen Schlag, als unerwartet ein Brief eintrifft, der ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Und Evie beschließt, ihr Familienglück nicht als zu verständlich zu betrachten, sondern auch einen Beitrag zu leisten. Doch damit macht sie das Chaos ganz komplett: Sie versorgt Rentner mit falschen Nahrungsmitteln, geht Betrügern auf den Leim, verdreht verwitweten Männern den Kopf.

Und das eigentliche Problem steht Evie noch bevor: Sie muss sich sich selbst stellen. Allem voran ihrer Eifersucht und ihrem Beschützerinstinkt.

Meine Meinung zum Buch:
* * * * * * * * * * * * * *
Der Einstieg in das Buch gelingt schnell, denn Evie ist mir sofort sympathisch. Sie ist kein Superweib, dem es spielend leicht gelingt, Haushalt, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Nein, Evie ist glücklich mit ihrem Hausfrauendasein und widmet ihre ganze Liebe ihrer Familie. Ein bisschen erinnert sie mich an Lorelai von den Gilmore Girls: Sie ist sehr direkt im Umgang mit ihren Mitmenschen, sehr emotional und mit einem leisen Hang zum Melodramatischen ausgestattet, impulsiv und ehrlich, dabei aber auch tolpatschig und naiv.Auch alle anderen Charaktere des Buches sind gut gezeichnet.

Das ganze Wesen von Evie spiegelt sich auch im Stil der Autorin wieder: Er wird oft von einem ironischen Unterton begleitet, ist sehr erfrischend und und kurzweilig. Oft musste ich während des Lesens laut auflachen, denn Evie ist einfach klasse. Sie ist sehr humorvoll und sarkastisch, was ihre Mitmenschen manchmal zu spüren bekommen, sich aber meistens nur in ihren Gedanken widerspiegelt.

Genauso gut gelingt es der Autorin aber auch, das Ernsthafte und Nachdenkliche an Evie zu vermitteln. Überhaupt ist Evies Verhalten stets nachvollziehbar und verständlich. Mir als Leserin war es ein Leichtes, mich in ihre Situation hineinzuversetzen und ihre Gedanken und Handlungen nickend zu bestätigen, da ich in vielen Situationen wohl ähnlich reagiert hätte. An keiner Stelle wirkt Evies Verhalten überzogen oder gestellt, sondern immer bodenständig und authentisch.

An manchen Stellen des Buches drohte der Stil der Autorin doch etwas ins Obszöne abzusacken, doch glücklicherweise hat sie sich immer recht schnell wieder gefangen und einen Weg zurück ins Niveauvoll-lustige gefunden.

Toll fand ich, dass zwischen Anthony und Evie nach dem Eintreffen des alles verändernden Briefes kein Katz-und-Maus-Spiel veranstaltet wird, nach dem Motto: Ant versteckt den Brief, Evie ahnt aber etwas und findet ihn plötzlich in seiner Jackentasche. Stattdessen werden die Karten offen auf den Tisch gelegt und das Problem wird gemeinsam angegangen. Dass es nicht bei einem Problem bleibt und der Brief nur die halbe Wahrheit offenbart, ist klar, sonst wäre es ja auch zu einfach.

Besonders ist mir ein Zitat aufgefallen, dass ich wirklich sehr schön finde. Es steht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Evie so stolz auf ihre Familie ist:

"Und unsere Anna war so wunderbar. Ich erinnere mich, wie ich einmal am Fenster in Church Farm stand und beobachtete, wie sie mit ihren Cousins und ihrer Cousine draußen im Garten spielte. Jack und Henry rauften miteinander wie üblich, Phoebe saß quengelnd und spritzend im Planschbecken, während Anna geduldig versuchte, ihre Puppenteekanne mit Wasser zu füllen, was mich an eine Fabel von Äsop erinnerte. Die mit der Füchsin, die auf ihre Fruchtbarkeit stolz war und die Löwin beschimpfte, weil diese nur ein Junges hatte. "Nun ja, aber meines ist ein Löwe", erwiderte die Löwin lächeldn. Und genau das hatte ich insgeheim und mit schlechtem Gewissen gefühlt; dass jedes kleinste Teilchen von Ants und meiner Kraft, jedes Gramm der herausragenden Eigenschaften aus unserem gemeinsamen Genpool dazu gedient hatte, nicht einen Haufen wilder Fuchswelpen zu schaffen, sondern eine große, blonde, kluge, tapfere Löwin." (Seite 13)

Und irgendwie schließt sich am Ende des Buches der Kreis, der mit diesem Zitat beginnt. Denn am Ende ist es Evie, die gestärkt und gewachsen aus allem Stress und Kummer hervorgeht, stolz wie eine Löwin.

Das Buch hat mich an keiner Stelle gelangweilt, ich habe die Lektüre sehr genossen und werde sicherlich auch weitere Bücher der Autorin lesen.

Von anderen Unterhaltungs- oder Frauenromanen hebt sich das Buch dadurch ab, dass es eben nicht nur oberflächlich unterhält, sondern auch eine gewisse Lehre mit sich bringt (natürlich ohne den gefürchteten erhobenen Zeigefinger). Die Intention der Autorin könnte in folgender Aussage bestehen:

Sei stolz auf das, was du erreicht hast und vertraue auf dich!

Das Buch bekommt von mir 4 Sterne. Einen Stern ziehe ich dafür ab, dass der Stil der Autorin, wie oben bereits geschrieben, manchmal etwas zu entgleiten drohte und ich es daher nicht ganz auf eine Stufe mit meinen 5-Sterne-Büchern stellen möchte.

Mein Fazit:
* * * * * *
Ein sehr kluges und charmantes Buch mit einer überaus sympathischen Protagonistin.