Rezension

zu verkopft und daher in großen Teilen langweilig

Elizabeth Finch -

Elizabeth Finch
von Julian Barnes

Bewertet mit 3 Sternen

An einer Abendschule in London hält die Privatgelehrte Elizabeth Finch ein Seminar "Kultur und Zivilisation". Teilnehmer sind Erwachsene zwischen 29 und 42 Jahren, unter anderen der Ich-Erzähler Neil, gescheiterter Schauspieler und zweifach geschiedener Ehemann und Vater von drei Kindern. Neil verehrt Elizabeth Finch, man könnte sogar sagen, er liebt sie platonisch. Als sie stirbt, hinterlässt sie ihm quasi als Vermächtnis ihre Aufzeichnungen, in denen es hauptsächlich um den römischen Kaiser Flavius Claudius Julianus geht. Neil beginnt sodann, diese Aufzeichnungen zu sichten und in einem Essay zusammenzufassen.

Der Roman ist in drei Teile gegliedert: Teil 1 behandelt das Zusammentreffen von Neil mit Elizabeth Finch ( nachfolgend wie im Roman mit E. F. bezeichnet ), seine Teilnahme am Seminar, ihren Tod und das Auffinden ihres Vermächtnisses an ihn. Teil 2 ist das Essay, das Neil über Flavius Claudius Julianus schreibt und Teil 3 befasst sich mit Neils Verarbeitung und Einordnung seiner Beziehung zu E. F. in sein eigenes Leben, wobei die Sichtweisen anderer damaliger Seminarteilnehmer auf E. F. berücksichtigt werden.

Meine Probleme beginnen mit Teil 2 der Geschichte, also mit dem Essay. Dieses Werk von Julian Barnes wird laut Cover als Roman bezeichnet. Aber was soll Teil 2 ? So interessant die Ausführungen über den Apostaten, wie ich lernen durfte, dem Abtrünnigen vom christlichen Glauben und letzten heidnischen römischen Kaiser, auch sein mögen, habe ich mich doch gefragt: Ist das jetzt noch ein Roman oder ist das eine Geschichts- bzw. Theologievorlesung ? Also, ich möchte einen Roman, die Erzählung einer Geschichte, lesen und nicht Geschichte, Theologie oder Philosophie studieren. Durch die Einstreuung des Namens von E. F. in diesem Teil wird noch nichts erzählt, hier wird doziert, d.h. hier fehlte mir die Verknüpfung mit der in Teil 2 und Teil 3 erzählten Geschichte ! Teil 2 hat mich deshalb unerträglich gelangweilt und ermüdet. Ich habe mich da regelrecht durchgekämpft und war drauf und dran, die Lektüre abzubrechen und das Werk mit nur zwei Sternen zu bewerten.

Um es kurz zu machen: Teil 1 und Teil 3 haben mich mit dem Werk versöhnt. Hier hat Barnes sehr geschickt Gedanken über Stoizismus, über Philosophie als Lebenshilfe und über sein Hauptthema, über die Geschichte des vom Christentum abtrünnigen römischen Kaisers mit der platonischen Liebesgeschichte von E. F. und Neil verknüpft. Große philosophische und theologische Themen wurden so beleuchtet und das hat mir gut gefallen. Genau wie der feine ironische Witz, der hin und wieder aufblitzte. Sehr schön fand ich die Konfrontation der überhöhten Verehrung von E. F. durch Neil mit der Schlagzeile der Presse nach ihrem öffentlichen Vortrag: "Irre Professorin: römische Kaiser haben unser Sexleben ruiniert !" Da habe ich herzlich gelacht. Ohne Teil 2 ein schöner Roman und daher insgesamt noch drei Sterne und leider keine Leseempfehlung.