Rezension

Zuckerschock

Red, White & Royal Blue - Casey McQuiston

Red, White & Royal Blue
von Casey McQuiston

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich war etwas skeptisch von der Vorstellung, die Nachkommen der Staatsoberhäupter zweier Länder mit kolonialer Geschichte, bis heute starkem Machteinfluss und alles andere als unproblematischer Außenpolitik in den Fokus zu stellen. Meine Skepsis wurde insofern zerstreut, als dass zumindest die koloniale Vergangenheit kritisch reflektiert wurde. Man kann natürlich darüber diskutieren, wie realistisch eine linke Einstellung von Teilen der britischen Königsfamilie und der US-amerikanischen Präsidentin ist, andererseits ist das auch einfach Teil des Optimismus dieses Buches.

Was mir dabei als Politikstudentin allerdings ein bisschen zu sehr unter den Tisch fiel, war eine Reflexion der aktuellen Außenpolitik, beispielsweise hinsichtlich der Rolle beider Länder im Nahostkonflikt. Aber obwohl das Buch sich auch um Themen wie Wahlkampf, internationale Beziehungen und Imagebewahrung dreht und Alex selbst Politiker werden will, ist es natürlich hauptsächlich Romance, deswegen das nur als Randbemerkung.

Irgendwie ist an mir auch etwas vorbeigegangen, dass es sich um New Adult handelt, sodass ich etwas überrascht war über die doch öfter auftauchenden Sexszenen, aber ich hätte ja auch mal mitdenken können. Ansonsten - cuteness overload. Ich fühlte mich nach dem Beenden des Buches, als hätte ich einen kleinen Zuckerschock.

Auch die Charaktere und vor allem auch die Beziehungen zwischen ihnen sind super sympathisch. Alex muss man irgendwie gernhaben. Er ist etwas impulsiv, selbstüberzeugt und direkt, gleichzeitig kämpft er für seine Vorstellungen, denkt an erster Stelle an andere und hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Kurz: Er ist ein vielschichtiger Charakter mit Ecken und Kanten, nicht perfekt, aber genau deswegen liebenswert.
Genauso liebenswert sind die Beziehung zu seiner Schwester June und der gemeinsamen (platonischen) Freundin Nora, beide selbstbewusst auftretende junge Frauen mit eigenen Interessen, die sich rührend um Alex kümmern. Hach, die Liebe und Neckereien zwischen ihnen.

Außerdem toll ist die Diversität. Alex hat einen mexikanischen Vater, ansonsten gibt es bisexuelle, homosexuelle, trans und BIPoC Charaktere. Es geht zwischendurch um Questioning und Coming Out, aber auch um Mental Health und Zukunftsplanung. Es gibt nerdige Popkulturanspielungen, viel Gefluche, Chats und E-Mail-Austausche.

Was mich ein bisschen verwirrt hat, war der Spannungsbogen oder vielmehr die Abwesenheit desselben. Es geht anfangs recht schnell und das Ende ist auch sehr aufregend, aber so die zwei Viertel dazwischen passiert nicht viel. Also, es ist süß, und ich bin ja tendenziell auch immer gegen unnötiges Drama, trotzdem ist über den Teil nur die stets präsente latente Spannung vorhanden. Was dem Unterhaltungswert nicht unbedingt Abbruch tat.

 

Fazit: Unterhaltsame und optimistische Feel-Good-Love Story mit vielschichtigen, diversen Charakteren und liebenswerten Beziehungen, allerdings auch mit relativ niedrigem Spannungsbogen im Mittelteil.