Rezension

Zuerst passiert nichts und dann alles auf einmal…

Burn Our Bodies Down -

Burn Our Bodies Down
von Rory Power

~ Das Beste an „Burn Our Bodies Down” sind leider der coole Titel und das schöne Cover. Inhaltlich konnte mich das Buch leider trotz guter Ansätze (Grundidee, Fokus auf „schwierige“ weibliche Figuren, gelungenes Ende) nicht überzeugen. Dafür war es mir zu langatmig, zu wenig gruselig, zu unlogisch, zu distanziert (Figurenzeichnung). Für eine Leseempfehlung reicht es deshalb leider (bei weitem) nicht. Wenn ihr euch ordentlich gruseln wollt, greift doch stattdessen zu „Dark Inside“, „Horrid“, „Bird Box“ oder „The Ending“! ~

Inhalt

Für Margot gab es immer nur sie und ihre (toxische) Mutter. Doch als sie ein Foto findet, das Aufschluss über ihre familäre Herkunft gibt, macht sie sich alleine auf den Weg ins verschlafene Phalene. Schon am Tag ihrer Ankunft bricht dort allerdings ein Brand aus und eine Leiche wird gefunden, die genau so aussieht wie sie. Warum ist ihre Mutter damals weggelaufen? Was lauert in Phalene? Ist Margot in Gefahr?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang

Inhaltswarnung: Tod, Gaslighting, toxische Eltern-Kind-Beziehung, Gewalt, Blut, Schwangerschaft, Gewalt (auch gegen Kinder), Feuer, Body-Horror, Abtreibung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- (extreme) Slow-Burn-Geschichten
- starke, komplexe Frauenfiguren im Zentrum
- Kleinstadt-Setting
- Familiengeheimnisse
- Mystery
- leichter Body-Horror
- enthält Gore (Blut, Tod, Brutalität)
- toxische Familie

Meine Rezension

“Ich bin es gewohnt, mein Leben um leere Stellen herum aufzubauen, um verschlossene Türen und unbeantwortete Fragen.“ Seite 170

Da mich Rory Power mit ihrem letzten Buch („Wilder Girls“) gut unterhalten konnte, war die Entscheidung schnell getroffen, dass ich mehr von ihr lesen wollte. Der Klappentext und der Titel von „Burn Our Bodies Down“ haben mich dann auch sofort neugierig gemacht – weil beides so vage gehalten war und ich keinerlei Vermutung hatte, worum es gehen könnte. Auch der perfekte Zeitpunkt für die Lektüre stand bald fest: der Spuktober. Wie könnte es auch anders sein?

„So ist das bei mir: Wie Wut sitzt zusammengerollt in meiner Brust, bis der kleinste Funke den Docht in Brand steckt.“ Seite 193

Nun fragt ihr euch bestimmt: Konnte mich auch Rory Powers zweites Buch wieder überzeugen? Hat es sich vielleicht sogar den Titel „Jahreshighlight“ verdient? Hier muss ich euch leider ebenso enttäuschen, wie „Burn Our Bodies Down“ mich enttäuscht hat. Für mich war es nämlich deutlich schwächer als „Wilder Girls“, sodass es gerade einmal für nett gemeinte 2,5 Sterne reicht.

Dabei gab es durchaus wieder Dinge, die mir sehr gut gefallen haben. Die Grundidee und Themen (Familie, Herkunft, Erwachsenwerden, Emanzipation, toxische Eltern-Kinder-Beziehungen, Gaslighting) sind beispielsweise wieder super: kreativ, erfrischend und ungewöhnlich. Die Geschichte hatte also definitiv Potential. Schade, dass die Autorin das nicht ausschöpfen kann! Auch aus feministischer Sicht gibt es hier absolut nichts zu meckern: Uns Leser:innen erwarten nämlich erneut starke, komplexe („schwierige“) Frauenfiguren (männliche Charaktere spielen nur Nebenrollen) und „casual queerness“ (die Protagonistin ist lesbisch, was aber nur am Rande erwähnt wird). Der Schreibstil lässt mich hingegen zwiegespalten zurück – in manchen Momenten fand ich ihn sehr atmosphärisch und eindringlich, in anderen haben mich die vielen gleichen, etwas uninspiriert wirkenden Satzanfänge (Ich, Ich, Ich, Ich) und die oft unwichtigen Details (die viele Szenen unnötig in die Länge zogen) eher gestört und genervt.

„Der Mais ist bis an den Rand der Einfahrt herangekrochen, golden und knisternd wiegt er sich im Wind. Ich denke, er ist tot – der Farbe nach zu urteilen muss er tot sein –, dennoch scheint er weiterzuwachsen.“ Seite 106

Leider gab es aber auch zwei große Schwächen, die meine Sterne-Bewertung stark nach unten gedrückt haben. Erstens ist das das arg misslungene Pacing, also das Erzähltempo und die Handlungsdichte. Wer das Buch mochte, wird es mit (seeehr) viel Wohlwollen als „slow burn“ bezeichnen, aber für mich fühlte es leider so an, als würde auf den ersten 250 Seiten so gut wie nichts passieren (ich bin fast eingeschlafen) und dann auf den letzten 50 Seiten alles auf einmal (man weiß gar nicht, wie einem geschieht). Ich musste mich jedenfalls immer wieder aktiv zwingen, weiterzulesen – Lesespaß sieht anders aus. Von Horror erwarte ich einfach mehr – eine durchgehend unheimliche Atmosphäre, Gänsehautmomente, einen überzeugenden Spannungsbogen.

Zweitens sind mir leider auch einige Logikfehler aufgefallen. Zum Beispiel war für mich das Verhalten der Figuren in manchen Momenten überhaupt nicht nachvollziehbar. Da gab es eine Szene, in der die Leiche eines Mädchens in einem Feld gefunden wird – und statt ihren Puls zu fühlen, ehrlich betroffen zu sein und zu schauen, ob es noch etwas zu retten gibt, starten die 2 Dorfpolizisten einfach mitten in diesem Feld ein knallhartes Verhör. Und während dieser unpassenden, taktlosen Befragung ignorieren einfach alle Anwesenden die Leiche, die da neben ihnen im Dreck liegt. Gleichzeitig war ich entsetzt und musste schmunzeln, denn realistisch geht anders.

Dazu kommt, dass die weiblichen Hauptfiguren zwar auf ihre Weise interessant und durchaus komplex sind, dass sie aber das ganze Buch über sehr wenig greifbar bleiben und leider auch alles andere als sympathisch gezeichnet sind. Sie haben alle eine gewissen Grausamkeit im Umgang mit anderen an sich und ich möchte mit keiner dieser Frauen befreundet sein. Dadurch stellte sich in mir irgendwann das Gefühl ein, dass die sich schon alle gegenseitig verdient haben, und es fiel mir schwer, mit ihnen mitzufühlen und mitzufiebern. Nach „Burn Our Bodies Down“ bin ich mir unsicher, ob ich Rory Power noch eine Chance geben soll.

Mein Fazit

Das Beste an „Burn Our Bodies Down” sind leider der coole Titel und das schöne Cover. Inhaltlich konnte mich das Buch leider trotz guter Ansätze (Grundidee, Fokus auf „schwierige“ weibliche Figuren, gelungenes Ende) nicht überzeugen. Dafür war es mir zu langatmig, zu wenig gruselig, zu unlogisch, zu distanziert (Figurenzeichnung). Für eine Leseempfehlung reicht es deshalb leider (bei weitem) nicht. Wenn ihr euch ordentlich gruseln wollt, greift doch stattdessen zu „Dark Inside“, „Horrid“, „Bird Box“ oder „The Ending“!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 2 Stern
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 2,5 Sterne
Spannung: 2 Stern
Tempo: 1 Stern
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb Sterne!