Rezension

Zum Leben mit deutscher Vergangenheit - ein Standardwerk von Dan Bar-On

Die Last des Schweigens - Dan Bar-On

Die Last des Schweigens
von Dan Bar-On

Bewertet mit 5 Sternen

Der - inzwischen verstorbene - Autor hat mit einer bestimmten Methode unterschiedliche Gruppierungen in einen Dialog gebracht, u.a. die Nachfahren von Shoah-Überlebenden und die Kinder deutscher Nazi-Täter sowie Israelis und Palästinenser. Wichtig für ihn war, dass die Menschen ihre Geschichten erzählen - und die jeweils "andere Seite" das stehen lässt, was erzählt wird: Das Leid der einen wird nicht gegen das der anderen ausgespielt. In seinem Buch "Erzähl dein Leben" hat er in diesem Sinne vom Dialog zwischen Palästinensern und Israelis berichtet. So weit zur Arbeit Dan Bar-Ons.

"Die Last des Schweigens" gibt die Interviews wieder, die Bar-On im Rahmen eines Forschungsprogramms Mitte/Ende der 1980er Jahre mit Kindern von Nazi-Tätern führte. Wie sind Täter nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrem Tun umgegangen, so fragt Bar-On im Abschnitt "Die Vorgeschichte" - und wie leben die Kinder mit dem Tun ihrer Eltern?

In einer Geschichte ist es der Sohn, der - im nationalsozialistischen Deutschland aufwachsend - seinem Vater zunächst nicht glauben kann, was der von den Morden an den Juden im Osten berichtet; der Vater zerbrach an dem, was er sah und erlebte. "Mir gegenüber sitzt der Sohn eines außergewöhnlichen Vaters", schreib Bar-On (S. 216), "des einzigen Menschen, von dem ich gehört habe, dass er seinen Verstand verloren hat, weil er kein normales Leben mehr führen konnte, nachdem er die Massaker an den Juden miterlebt hat."

Was, so mag sich der Leser fragen, ist dann psychische Gesundheit? Das normale Weiterleben der vielen oder das Verrücktwerden dieses Mannes?