Rezension

Zwiespalt

Yahya Hassan - Yahya Hassan

Yahya Hassan
von Yahya Hassan

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt

In Vers Form erzählt hier Yahya seine Geschichte.
Wie er in einem streng gläubigen Elternhaus aufwuchs, der Vater in und seine Geschwister ständig schlug. Seine Mutter hatte nichts zu sagen, wurde selber geschlagen und sollte sie sich einmischen, drohte ihr eine Abreibung.

Die Familie ist arm, lebt von Sozialhilfe und Yahya gerät schon früh in Schwierigkeiten, er fliegt von der Schule und landet im Heim, später schließlich im Gefängnis.

Es ist ein Teufelskreis, aus dem er nicht ausbrechen kann. Zwar werden ihm gewisse Chancen geboten, als eine Lehrerin sein Talent für Literatur und das Schreiben entdeckt, doch immer wieder kehrt er zu alten Gewohnheiten zurück, Diebstahl, Drogen und Gewalt.

Während seiner Zeit in Besserungsanstalten und im Gefängnis beginnt er zu schreiben, schreibt seine Wut mit diesen Gedichten auf, auch wenn sie dadurch nicht weg zu sein scheint.

Immer wieder tun sich ihm Chancen auf, doch er kehrt immer wieder zu dem Leben zurück, das er kennt und das ihm eigentlich nicht gutes gebracht hat.

Seine Themen sind hart, die Sprache ebenso. Er verurteilt nicht nur das, was er von seinen Eltern kennt, sondern auch das Land in dem er lebt. Ein Mann mit zwei Heimaten, der dennoch nirgends willkommen und zu Hause ist.

Meine Meinung

Was genau also kann ich zu dem Buch sagen?
Ich bin zwiegespalten. Einerseits beeindruckt mich die sehr ehrliche und wütende Art, andererseits fühle ich mir irgendwie ein kleines bisschen veräppelt.
Dazu aber später.

Die Gedichte sind in einer harten, abgehackten Sprache geschrieben, die nur so von Schimpftiraden und Kraftausdrücken strotzt. Es liest sich mit Sicherheit nicht schön, aber warum finstere Zeiten in schönen Worten verstecken?
Die Struktur ist meist so gestaltet, dass der Autor uns eine Geschichte erzählt, die Verse reimen sich nicht und haben doch in gewisser Weise ihren eigenen Klang. Wie gesagt nicht schön, aber besonders.
Es gibt noch andere Passagen, in denen auch eine Geschichte erzählt wird, aber gewisse Sachen eher umschrieben werden, was das ganze abstrakt macht und dann doch erstaunlicherweise Grenzen des Autoren aufzeigt. Es gibt also Dinge, über die er nicht offen sprechen will und versteckt sie hinter zweideutigen Bildern. Ich fand das sehr amüsant und es ist in gewisser Weise auch ein wenig rätselhaft. Meinte er wirklich das, was ich herauslese, oder will er verwirren?

Dann etwa in der Mitte des Buches kommt eine Passage, in der er mehr Bilder benutzt und weniger Klartext spricht. Diese Gedichte zeugen von großer Verzweiflung, ich musste dabei an einen Nervenzusammenbruch oder eine depressive Episode denken. Wir blicken hier tief, obwohl er eigentlich gar nicht so genau schreibt, was das Problem ist, so können wir es dennoch zwischen den Zeilen und hinter seinen Handlungen erahnen. Diese Passage hat mir sehr gut gefallen. In diesen Zeilen steckt auch sehr viel Poesie, auch wenn die Worte auch hier nicht sonderlich schön gewählt sind.
An dieser Stelle dachte ich, ich könnte das Buch wirklich mögen und für gut empfinden, bis dann der Umbruch kam.

Plötzlich zum Ende hin verändert sich seine Sprache sehr, zuvor hat er zwar auch klischeehafte Slangausdrücke benutzt, er warf auch das eine oder andere arabische Wort mit hinein, doch dies alles hielt sich in Grenzen und die Sprache die er benutzte war hart, aber durchaus lesbar.

Zum Ende hin haben wir hier ein absolut unlesbares Langgedicht, das von arabischen Ausdrücken strotzt und eine sehr schlechte Grammatik aufweist, wie es vorher nicht war.
Desweiteren erzählt er, wie er lapidar seine Entwürfe für das Buch abgibt, weil ihm die Sozialhilfe gestrichen wird und er so gern ein wenig Geld für Drogen hätte.
An der Stelle fühlte ich mich verarscht. Zum einen hatte er schon vorher bewiesen, dass er eben normal schreiben könnte, zum anderen der Gang zum Verlag mit Hinblick auf das letzte hingeworfene Gedicht. Rein nach dem Motto: Ich hau da jetzt irgendwas hin, nur damit es fertig ist.
Vielleicht sehe ich das Ganze auch falsch. In dem Gedicht beschreibt er eine Phase, wo er von den anderen Schülern runter geputzt wird, weil er mit Akzent spricht und sich eigentlich so viel auf sein gutes Dänisch eingebildet hat und er spricht von einem Klischee, das er erfüllt.
Also entweder ist es wirklich Verarsche oder ein Experiment, ich kann es nicht sagen, tendiere jedoch mehr zum ersten.

Ein ganz wichtiger Punkt bei dem Buch ist das Bild, dass der Autor von den Immigranten vermittelt. Es ist ein sehr negatives und so etwas frei auszusprechen bedeutet immer Kontroversen, da man befürchtet Menschen mit vorhandenem Fremdenhass nur in ihrer Meinung zu bestätigen.
Ich persönlich sehe das ganze ein wenig lockerer. Nicht alle Immigranten werden Kriminell oder leben von Sozialhilfe, doch es gibt diese Gruppierungen und die Augen davor zu verschließen wäre falsch.
Natürlich gibt es auch die Gruppen, die eine Arbeit finden, steuern zahlen und zu normalen integrierten Bürgern werden, doch es gibt auch solche, die sich ihre eigene Insel bauen, ob nun durch Mangel an Unterstützung oder eigenem Willen ist mit Sicherheit von Fall zu Fall verschieden. Man kann nicht jedem helfen, denn nicht jeder will integriert werden, andererseits lässt man durch Fehlschläge vielleicht auch öfters Hilfe weg, wo sie viel bringen könnte. Eine Schuldzuweisung ist hier also fehl am Platze.

Hat sich meine Sicht von Immigranten nach dem Buch verändert? Keinesfalls, ich fand die Welt die hier beschrieben wurde unglaublich grausam hart und finster, empfinde aber gegen den Autoren eher Mitleid als Hass. Dass es diese Welt gibt, hat mich nicht überrascht, da ich es schon vorher wusste, jedoch nie so nah beschrieben bekommen habe.

Jetzt beim näheren Nachdenken fällt mir auf, was mich am Ende des Buches am meisten gestört hat. Es gibt kein Happy End. Es liest sich, als würde der Autor Geld machen um wieder in seinem Sumpf zu versinken um dann wieder irgendwann hervorzukriechen und dann wieder abzusteigen.
Vielleicht ist es nur eine Verdeutlichung und ein Vermerk zu dem, was seinen Freunden und Verwandten geschehen ist, die kaum waren sie aus dem Knast draußen wieder hinein wanderten?
Schön hätte ich gefunden, wenn das Schreiben seine Rettung geworden wäre, doch Schönheit will er ja nicht schaffen....

Fazit

Es war auf jedenfall interessant den Gedichtband zu lesen, an einigen Stellen war ich geschockt, an anderen war ich tief berührt und fasziniert, an anderen abgestoßen und zum Schluss fühlte ich mich auf den Arm genommen.
Der Autor hat in jedem Fall ein kontroverses Werk geschaffen. Ich bin immer noch unentschlossen, ob ich es weiterempfehlen würde.