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Bitte nur lesen, wer das Buch "Fida" von Stefanie Maucher bereits gelesen hat

Interview mit Tatjana Wenz, der Mutter von Laura

Claudia Junger von "Krimi & Co." hatte die Gelegenheit, die Mutter der verschwundenen Laura, Tatjana Wenz, zu interviewen. Dieses Interview sollte man nur lesen, wenn man "Fida" schon komplett gelesen hat.

Ich freue mich sehr, dass ich die Mutter der verschwundenen Laura Wenz, Tatjana, in einem Interview näher vorstellen darf.

Aber ACHTUNG:

Wer das Buch "Fida" noch nicht gelesen hat, sollte nicht weiterlesen! Für die Leser, die "Fida" bereits komplett gelesen haben, dürfte jedoch gerade das Interview mit Tatjana sehr aufschlussrech und interessant sein.

Zur Person:

Tatjana Wenz ist die Mutter der verschwundenen Laura. Sie versucht längst nicht mehr, ihr vorher gepflegtes Äußeres und ihr bis dato harmonisches Familien- bzw. Eheleben aufrecht zu erhalten. Müde, kraftlos und sowohl innerlich als auch äußerlich gealtert, schleppt sie sich förmlich durch den Alltag, sie funktioniert einfach nur. Tatjana geht jeden Tag dieselbe Strecke zu Fuß ab und bringt Plakate mit einem Foto von Laura und dem Zusatz "Vermisst" an Bäumen und außen an Geschäften an. Wird sie auf das Verschwinden von Laura angesprochen, so antwortet sie an besseren Tagen: "Vielleicht ist Laura nicht verloren, sondern nur verlegt." Aber sie gibt die Hoffnung nicht auf, ihr Kind bald wieder lebendig in die Arme schließen zu können. Im nachfolgenden Interview beantwortet Tatjana Wenz Fragen, die nach dem Abschluß des Falles "Laura" aufkommen.

Achtung, wer "Fida" noch nicht gelesen hat, sollte das nachfolgende Interview nicht lesen!

Tatjana Wenz erscheint pünktlich zu unserem vereinbarten Treffen im Café "Ibrügger" in Gütersloh. Sie ist ein bisschen spät dran, außer Atem, weil sie sich offensichtlich beeilt hat. Als erstes fällt mir ihre neue Haarfarbe ins Auge. Ein warmer Braunton, der in der Sonne rötlich leuchtet und gut zu dem sommerlichen Kleid passt, das ihre langen Beine betont. Sie reicht mir die Hand, mit einem strahlenden Lächeln und entschuldigt sich, dass sie mich warten ließ, weil sie nicht sofort einen Parkplatz fand.

Krimi & Co.: "Guten Tag Frau Wenz, schön Sie zu sehen. Wir alle wissen ja inzwischen, was passiert ist. Wie geht es Ihnen heute?"

Tatjana Wenz: "Ach bitte sagen Sie doch Tatjana zu mir. Ich kann heute sagen, dass es mir gut geht. Natürlich war es furchtbar, zu erfahren, was dieses Monstrum meinem kleinen Mädchen angetan hat. Und es wird immer eine Lücke in meinem Leben geben, die man nicht wieder auffüllen kann. Aber zu wissen, was passiert ist, macht es mir einfacher, mich wieder auf mein Leben zu konzentrieren. Die Ungewissheit war noch schlimmer.“

Krimi & Co.: "Das heisst also, Sie haben Ihren Seelenfrieden gefunden?"

Tatjana Wenz: "Ich glaube nicht, dass man Seelenfrieden, nach solchen Ereignissen, jemals völlig finden kann. Vermutlich wird es immer Nächte geben, in denen ich schweißgebadet aus einem Alptraum erwache, oder trübe Regentage, an denen es mich der Verlust besonders stark trifft. Doch ich fühle mich nicht mehr so ohnmächtig und gelähmt, wie in der Zeit, in der ich noch nach meinem Mädchen suchte. Mit der Trauer kann ich, im Gegensatz zur Ungewissheit, irgendwie umgehen."

Krimi & Co.: "Haben sie noch Kontakt zu Susi? Wie geht es ihr?"

Tatjana Wenz: "Ja, natürlich. Susi ist mir sehr ans Herz gewachsen. Das arme Mädchen ist so tapfer! Was sie ertragen musste, geht wirklich weit über das hinaus, was man sich als normaler Mensch vorstellen mag. Zu wissen, dass Laura in den Händen desselben Mannes war und er ihr ähnliche Dinge antat, ist kaum zu ertragen. Es mag merkwürdig klingen, doch ich bin ihr dankbar für jeden Tag, an dem sie die Stelle meines Mädchens annahm. Ich würde alles darum geben, wenn meine Tochter noch am Leben sein könnte, doch ein schneller Tod, von eigener Hand, war gnädiger, als ein Leben mit diesem Sadisten. Susi ist noch längst nicht über das Alles hinweg. Vielleicht wird sie das nie sein. Doch ich sorge dafür, dass sie sich nicht völlig von der Außenwelt abkapselt. Mindestens einmal die Woche besuche ich sie und nötige sie dazu, etwas mit mir zu unternehmen."

Krimi & Co.: "Und haben Sie noch Kontakt zu Ihrem Mann?"

Tatjana Wenz: "Es ist schade, aber der Kontakt findet hauptsächlich über den Anwalt statt. Nicht weil wir streiten, sondern weil jeder von uns vielleicht noch ein bisschen Abstand braucht. Möglicherweise gibt sich das mit der Zeit und wir werden eines Tages Freunde. Ein Versuch, unsere Ehe wieder zu kitten, erschien uns beiden zwecklos. Dafür haben wir uns, in Zeiten wo wir einander am meisten gebraucht hätten, zu sehr auseinandergelebt. Ich bin inzwischen umgezogen, in eine kleinere Wohnung und habe nur wenige Erinnerungsstücke mitgenommen. Das Haus versuchen wir nun zu verkaufen."

Mein Blick fällt auf ihre Hand, die mit der Kette an ihrem Hals herumspielt. Ein mit Straß-Steinen besetztes Herz an einer silbernen Kette. Eines dieser Erinnerungsstücke trägt sie wohl immer bei sich.

Krimi & Co.: "Hatte Ihre Tat, und ich meine jetzt speziell die Art, wie der Täter nun sagen wir, zu Tode kam, für Sie strafrechtliche Konsequenzen?"

Tatjana Wenz: "Fast zu Tode gekommen wäre trifft es wohl besser. Man konnte ihn, mit schweren Verbrennungen und massiven Verletzungen, aus den Flammen bergen. Aber nein, es wurde keinerlei Anklage gegen mich erhoben und ich scheue mich auch nicht, zu sagen, ich wünschte, das Schwein wäre da drin verreckt. Die ermittelnden Beamten sahen meine Tat als Handlung in reiner Notwehr an. Das Einzige, weshalb man mich belangen könnte, wäre Hausfriedensbruch. Doch das wäre, in Anbetracht der Tatsache, dass ich, indem ich dieses Haus betrat, nicht nur einen Mord aufklärte, sondern ein Menschenleben rettete, doch wirklich lächerlich."

Krimi & Co.: "Tatjana, abschließend noch eine Frage: "Haben Sie Ihre Tat bereut und würden Sie so etwas noch einmal machen?""

Tatjana Wenz: "Wäre ich noch mal in derselben Situation, dann würde ich wieder so handeln. Ich musste meinem Verdacht einfach nachgehen und in der Situation selbst, als ich dem Täter gegenüber stand, da hatte ich eigentlich gar keine andere Wahl, als mich dem Kampf mit ihm zu stellen. Aber ich würde beim nächsten Mal noch genauer zielen."

Krimi & Co.: "Vielen Dank für Ihre Offenheit, Tatjana. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihr weiteres Leben.

Wir stehen gleichzeitig auf, geben uns die Hand und ich komme nicht umhin, diese Frau zu bewundern.

FIDA