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Das Problem mit den Autoren-Interviews

Leider schreiben Götter keine Bücher

Anscheinend haben sie etwas Besseres zu tun. Warum ich Autoren-Interviews hasse.

Vorweggenommen: Dieser Artikel mag nicht die allgemeine Meinung wiedergeben, denn er folgt lediglich einem Gedanken, den ich hatte, nachdem ich einige der Autoren-Interviews las. 

Die Illusion ist es, was den Reiz der Bücher ausmacht. Ihr Vermögen, ganz in andere Welten versinken zu lassen und das Geschehen um einen herum vergessen zu machen. Ihre Wirkung lebt davon, dass der Leser mehr und mehr imstande ist, seine Fantasie zu nutzen, um ganze Szenerien, Charaktere und sogar Welten im eigenen Kopf aufleben zu lassen. Ist dies nicht sogar einer der Hauptgründe, weshalb man geistig im Vorteil ist, wenn man Bücher liest?
Selbstständig denken und sich alle möglichen Dinge ausdenken zu müssen, bildet. Wenn man ein Meisterwerk gelesen hat, besteht ohne Zweifel eine gewisse Ehrfurcht dem Autor gegenüber: Er hat etwas Außerordentliches erschaffen können, wozu ich nicht in der Lage gewesen wäre. Er ist so etwas wie ein Gott und gerade seine vermeintliche Übermenschlichkeit macht sein literarisches Schaffen wirklich lesenswert, sein Talent auf eine Art mystisch und geheimnisvoll. 

Es ist so wie mit Politikern: Solange man nicht weiß, welche Unterwäsche sie tragen, oder den Spinatrest zwischen ihren Zähnen gesehen hat, sind sie ernst zu nehmen - beziehungsweise, es ist notwendig, sich nicht zu sehr mit ihnen identifizieren zu können. Könnte man sich genau in ihnen wiedererkennen, wäre dann nicht durchaus möglich, dass man denkt: "Was er kann, könnte ich genauso gut, also wähle ich ihn nicht. Da ist überhaupt nichts Besonderes dran."
Es liegt daran, dass man häufig denkt, wenn jemand in dem, was er tue, nicht besser sei als man selbst, könne er nicht wirklich gut sein. Zeugt das von einem natürlichen Minderwertigkeitskomplex des Menschen oder gar von Narzissmus als Schranke auf beschriebenen Gebieten? 

Beginnt man also, sich mit dem Autor seines Lieblingsromans zu identifizieren (weil man beispielsweise weiß, wann er seine Unschuld verloren hat oder dass er dieselbe Kaffeepad-Marke bevorzugt wie man selbst), geht das, was ich das Eigentliche nenne, verloren: Die Magie des Werkes, die davon lebt, dass das Werk aus eigener Kraft heraus existiert. Ohne einen gewöhnlichen Menschen dahinter, dem man es locker hätte gleichtun können und wahrscheinlich sogar noch besser. Angeblich soll im Koran stehen, er sei nicht menschlich verfasst, sondern "vom Himmel gefallen" - perfekt! Das ist eine glatte Interview-Verweigerung. Und die Leute haben Ehrfurcht vor dem, was geschrieben steht. Da war kein Herr Mumpfdumpf, der erzählt hat "Ja, also die und die Sure habe ich auf meinen Laptop getippt, während ich auf der Toilette saß. Da kommen mir immer die besten Ideen."

Wenn ich lese, bevorzuge ich deshalb Werke von Menschen, die schon lange, bevor sie erzählen konnten, dass sie dieselben Essgewohnheiten haben, wie ich, ins Gras gebissen haben.
Stammten sie aus vergangenen Jahrhunderten, besteht sogar der Vorteil, dass sie gar nicht erst die Machtübernahme der Kaffeepads miterlebt haben.
Ich gehe quasi auf in Werken von psychisch Gestörten und Kranken (siehe Nietzsche). Da weigert man sich automatisch, an eine Identifikation zu denken.
Und wenn jemand so nett ist, sich ein Pseudonym zuzulegen und auf persönliche Interviews zu verzichten: Danke.