Rezension

1. Teil der Chronik

Gespräch mit einem Vampir
von Anne Rice

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

Ein junger Mann streift durch die Straßen um interessante Menschen zu interviewen und dann von ihrem Leben zu berichten. Womit er nicht rechnet, ist auf einen Vampir zu treffen. Doch der Vampir Louis findet ihn und beschließt ihm alles zu erzählen.
Gemeinsam sind sie in einem Zimmer, das der Vampir gemietet hat und die Tonbänder laufen, nachdem sich der junge Mann davon überzeugt hat keinen verrückten vor sich zu haben.

Louis war ein reicher Plantagenbesitzer und lebte in der Nähe von New Orleans. Mit seinem Leben war er recht zufrieden, bis der Tag kam, an dem sein kleiner Bruder starb. Sein Bruder war ein religiöser Eiferer, eigens für ihn hatte Louis eine kleine Kapelle errichten lassen und war der Meinung seinem Bruder nichts abschlagen zu können.
Doch dann kam dieser zu ihm und sagte ihm, er habe eine Vision gehabt, Louis müsse alles verkaufen, sonst würden sie unglücklich werden. Doch Louis verspottete ihn nur und meinte zu ihm, er würde fortan wieder unter Leute müssen, er würde zur Schule gehen um die Flausen loszuwerden, die die Einsamkeit ihm eingepflanzt hatte.
Doch soweit kam es nicht, sein Bruder sah zum Himmel und stürzte dann die Treppen hinunter, er war sofort tot und auch wenn Louis nicht ins einer Nähe gestanden hatte, so machten doch alle ihn für den Tod seines Bruders verantwortlich, allen voran er selber.

Der Schmerz überkam ihn, zerstörte sein Leben und ließ ihn sich nach dem Tode sehnen und dieser kam zu ihm, jedoch anders als erwartet.
Ein Vampir lauerte ihm auf und er nahm ihn sein Leben um ihn ein neues zu schenken.
Lestat war ein kalter und grausamer Lehrer und Louis hatte stets den Verdacht, dass dieser es nur auf sein Geld abgesehen hatte.

Das erste Töten war schrecklich für Louis und nach dem er herausgefunden hatte, dass er auch von Tieren leben könnte, tat er dies.
Mittlerweile fing er an Lestat zu hassen, doch verlassen konnte er ihn nicht, schließlich wusste er noch nicht, was es alles zu lernen gab und er fürchtete die Einsamkeit.

Doch eines Tages hat Louis genug, er will gehen. In seiner Verzweiflung, seinem tiefen Schmerz eilt er durch die Straßen vergisst zu trinken und ist schließlich wahnsinnig vor Durst, bis er das zarte Weinen eines Kindes hört und sich an ihr nährt.
Lestat ertappt ihn dabei und bemerkt sofort die Zuneigung, die Louis für dieses Kind empfindet. Er macht die kleine Claudia zum Vampir und bindet Louis so wieder an sich.
Zunächst leben die drei wie eine glückliche Familie, doch Louis quält sich weiterhin mit Fragen und auch die kleine Claudia, die langsam erwachsen wird, wenn auch ihr Körper immer der eines Kindes bleiben wird, hat unzählige Fragen, auf die Lestat keine Antworten hat oder sie nicht preisgeben will.

Louis und Claudia wollen reisen, nach anderen Vampiren suchen, Antworten finden, doch wird Lestat sie jemals freigeben?

Meine Meinung

Ich glaube dies ist nun das dritte Mal, dass ich dieses Buch gelesen habe. Und wieder musste ich staunen. Viel besser war in meiner Erinnerung der Film verankert und dieser unterscheidet sich in vielen Stellen doch erheblich von den Buch, so dass ich wieder überrascht wurde über gewisse Gegebenheiten.

Wie jeder wissen wird, haben wir einen großen Vampirhype hinter uns, der vielen die Lust auf Vampire gründlich verdorben hat. Nur verständlich, wenn der Vampir als glitzernder Milchbubi dargestellt wird, der sich nur von Tieren ernährt und den Menschen nahe sein will.

Und hier haben wir das Buch, dass in gewisser Weise für dieses verzerrte Vampirbild verantwortlich ist. Wir haben hier einen Vampir, der Reue zeigt, sich schuldig fühlt und sich auch am Liebsten von Tieren ernährt, selber sagt, dass die größte Sünde es ist ein Menschenleben willentlich zu beenden. Aber er sagt auch, dass sein Handeln ästhetische Gründe hatte, weil das Töten für ihn eine Verzückung war, einem Rausch gleichkam und er sich langsam vorarbeiten wollte.
Louis ist widersprüchlich, er verdammt sich selber, sieht in sich das Böse und auch wenn er das nicht tun will, kann er nicht anders, denn er verzehrt sich nach dem Schmerz und er genießt das Töten, also das Böse sein und die eigene Verdammnis, die darauf folgt.

Die Vampire, die hier beschrieben werden, sind nichts anderes als Raubtiere mit einem menschlichen Bewusstsein und doch ist Louis etwas Besonderes.

Und genau das ist es, was einen beim lesen reizt. Louis ist voller Liebe und Leidenschaft, die ihn antreiben, doch eine Liebe der dunklen und grausamen Art, so wie er den Schmerz ersehnt, so will er auch durch die Liebe leiden, die er empfindet. All das hat eine romantische Aura, die nichts Erotisches hat.

Ein sehr interessantes Motiv ist auch die Frage, ob es Gott und den Teufel gibt, was gut und was böse ist und ob das böse Abstufungen hat oder es immer vollkommen ist. Daraus erwächst ein Gespräch über genau diese Dinge, was einen persönlich nachdenklich stimmt, man muss keine Ansicht der jeweiligen Partei teilen und doch denkt man darüber nach.
Und dabei komm einem auch sofort ein weiterer Gedanke. Die Vision, die Louis Bruder hatte, war sie real? Denn hätte Louis auf ihn gehört, hätte er nicht den Tod gesucht und Lestat hätte nicht nach seinem Geld getrachtet.

Der Umgang mit der Unsterblichkeit ist sehr gut gestaltet. Lebt ein Vampir lange, so verliert er den Bezug zur Zeit und das Auge für das Leben, er verliert die Lust daran, stumpft ab.
Ich mag diese Vorstellung. Denn die Party geht nicht einfach weiter. Was reizt einen noch am Leben, wenn man schon alles gesehen hat, alles durchlebt hat und fortan in immer der gleichen Schleife weiterlebt.
Was kann in einem noch Empfindungen wecken, wenn man den Blick für das Schöne verloren hat und das Grauen schon mehrfach hinter sich gelassen hat?
Louis ist dafür ein gutes Beispiel, er macht eine extreme Wandlung durch. Der leidenschaftliche Mann, der voll ist von jeglichen Empfindungen und der langsam immer weniger empfindet, bis alles nur noch eine Erinnerung ist, die er schließlich einem Reporter erzählt...

Der Schreibstil von Anne Rice ist sehr ausschmückend und sehr gefühlsbetont, es wirkt an einigen Stellen etwas schnulzig, doch dies ist meiner Meinung nach in dem Falle in Ordnung. Große Gefühle werden zwischen den Zeilen direkt zu Leser transportiert, da muss man gelegentlich auch ein wenig dick auftragen um einen gewissen Effekt zu erzielen.
Wir lesen von Aufstieg und Fall, Lieben und Hassen, Werden und Vergehen und hinter all dem werden wir mit Fragen bombardiert, auf die es keine Antworten gibt und doch sind sie interessant, besonders der Umgang des Protagonisten mit ihnen.

Und genau die Fragen und die Mysterien, die hinter ihnen stecken, die Tiefe der Geheimnisse, die wir noch aufdecken möchten, den Wissensdurst, den das Buch weckt, das alles macht den Unterschied aus zu anderen Vampirromanen der heutigen Zeit.
Wir haben hier zwar den sehnsüchtigen Vampir, der gut in das verhasste Vampirklischee passt, doch es steckt einfach mehr dahinter.
Anne Rice hat mit diesem Buch den Auftakt für eine dunkle, mysteriöse Welt voller Mysterien geschaffen, die der Leser erforschen will.
Natürlich rücken bei ihr die Personen in den Mittelpunkt, doch wir wissen, dass da noch mehr ist und die eigentlichen Vampire nichts als Schachfiguren, die uns dem, was doch noch in der Tiefe lauert näher bringen.

Fazit

Ein beeindruckendes Buch, das voll von Gefühlen, Eindrücken und vor allem Fragen ist.
Man möchte mehr lesen, Fragen beantworten und auch erfahren, was aus den Vampiren geworden ist, die hier benannt werden, ob sie mit dem Leben zurecht kommen oder abstumpfen und schließlich aufgeben.

Auch wenn sehr ausschmückend beschrieben wird und alles sehr emotionsgeladen ist, habe ich keine Längen entdecken können. Ich war gebannt und arbeitet mich gespannt durch die viel zu engbedruckten Seiten. Würde hier nicht das neuste Stephen King Buch schon vor mir liegen, würde ich sofort den nächsten band der Chronik zur Hand nehmen.

Durch die Dichte der Emotionen ist dieses Buch sicher nichts für jeden, doch wer damit etwas anfangen kann und ein Buch mit Tiefe lesen möchte, dass zugleich bezaubert, der liegt hiermit absolut richtig.