Rezension

Abenteuerlich, spannend, aufwühlend

Die Tibeterin - Federica De Cesco

Die Tibeterin
von Federica de Cesco

Ein fernes Land, eine fremde Kultur, eine Familiengeschichte... Federica de Cesco gehört zu den ersten Autoren, die in mir die Leselust erweckten und es immer wieder schafften, mich in andere Welten zu entführen. Das ist ihr auch diesmal gelungen, jedoch wieder einmal ganz anders als erwartet.

Ihre Beschreibungen sind ausführlich, aber nicht zu viel. Besonders Landschaften zeichnet sie wunderbar realitätsgetreu mit Worten, dass man ein genaues Bild vor dem inneren Auge bekommt. Man ist mitten in der Situation, ist mit den Figuren dabei und fühlt mit. Für mich hat diese Autorin das richtige Mass an Beschreibung und Diskurs im Schreibstil: Nicht zu viel Blabla und nicht zu viele Details über das Wetter. Aber genug, um mitten in das Buch und die fremde Welt einzutauchen.

Die Personen, Tara und Chodonla, später Atan, Karma und weitere Nebenfiguren, wurden ebenso feinfühlig vorgestellt. Obwohl mir nicht alle Reaktionen immer klar waren  und ich sie nicht immer nachvollziehen konnte, so konnte ich immer und ohne Ausnahme mitfühlen. An dieser Stelle möchte ich auch vorwarnen, dass man vor allem Schmerz und Leid mitfühlt, denn einige Beschreibungen sind blutiger als das Cover und der Klappentext verraten. Die Autorin recherchierte wohl viel über Tibet und wie das Volk von der chinesischen Regierung unterworfen, geformt und vertrieben wurde. Man erfährt somit einen wahren Teil der Geschichte dieser Länder, allerdings höchst unschöne Kapitel. Tibetische Flüchtlinge, auseinander gerissene Familien, Folter in chinesischen Gefängnissen, politische Machtspiele, bürgerliche Aufstände, Bürgerkrieg und ganz allgemein Angst, Leid und perfide Waffen. Der Dalai Lama im Exil, die Chinesen als Grossmacht und eine fiktive Geschichte mitten drin. Sicherlich wurden Fakten an die Geschichte angepasst, sicherlich ist ein Teil auch traurige Wahrheit. Wo genau die Grenze zwischen Realität und Fiktion liegt, kann ich jedoch nicht beurteilen. Für zarte Gemüter mit lebendiger Fantasie beziehungsweise lebhafter Vorstellungskraft ist der Roman nicht ganz so harmlos, wie er äusserlich vielleicht erscheint.

Neben der Geschichte der Zwillingsschwestern, erfährt man auch viel über den Werdegang von Atan, einer weiteren Hauptfigur, die etwas später auftaucht. Die ganze Zeit erzählte Tara die Erlebnisse bis plötzlich Atan seine Geschichte Tara (und somit dem Leser) erzählt, was einen viel grösseren Anteil einnimmt, als erwartet. 

Der Roman ist also voller Überraschungen und handelt zwar hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich von Tara und Chodonla. Ihre Reise ist abenteuerlich, spannend und aufwühlend, was einen guten Pageturner ausmacht. Ich wurde gut unterhalten und bin froh, schon den zweiten Teil "die Tochter der Tibeterin" zu besitzen. Denn das Ende kommt in Form eines Epiloges daher, der die erste Geschichte zwar abschliesst, allerdings auch einen hübschen Cliffhanger für Teil zwei darstellt.
 

4/5 Sterne