Rezension

Abstoßend und gleichzeitig anziehend

Mitten ins Gesicht - Kluun

Mitten ins Gesicht
von Kluun

Cover:
Mir gefällt es, dass das Cover für diese Thematik so schlicht gewählt wurde. Auch die Farben passen sehr gut zu dem, was man mit dem Thema Brustkrebs assoziiert.

Meinung:
Ich hatte das Buch aufgequatscht bekommen mit den Worten „Das musst du lesen, das ist so schön und so traurig!“ Da es etwas über 300 Seiten hat, las ich es also.
Das Buch handelt von Stijn und Carmen, beide mitten im Höhepunkt ihres Lebens stehend. Ihre gemeinsame, dreijährige Tochter Luna ist ihr gemeinsames Glück. Alles läuft wunderbar, das Leben ist perfekt, bis Carmen die Diagnose Brustkrebs erhält. Dabei ist diese Krebsform besonders aggressiv und die Überlebenschancen nur gering. Ein Krankenhausmarathon beginnt, immer begleitet von den quälenden Fragen, ob alles gut wird…
Das Buch ist autobiographisch, weswegen ich es immer schwierig finde, darüber ein Urteil zu fällen. Was man definitiv aber erwähnen muss, ist, dass Stijn nicht zum Schreiben gemacht ist. Seine Wortformulierungen und sein Stil lassen an die pubertäre Art eines fünfzehnjährigen denken, der über seine ersten sexuellen Erfahrungen berichtet und das fand ich alles andere als passend, vor allem wenn man die Hauptthematik im Hinterkopf hat. Mir geht es hierbei gar nicht so sehr darum, dass Stijn krankhaft fremdgehen muss und den Druck durch die Krankheit seiner Frau nicht mehr aushalten kann, weswegen er eine Affäre beginnt, sondern es geht mir um die plumpe Art und Weise, wie er das beschreibt. Er spricht ständig von Titten, Schwänzen, ficken und ich denke, dass es für diese Angelegenheit doch einige hübschere Wörter gibt, als diese Teenager-Slang-Ausdrücke. Das hat mich zunehmend gestört, weswegen ich teilweise Seiten übersprungen habe, weil mich diese Passagen nur noch aufgeregt haben, denn der Mann ist kein Teenager mehr, sondern ein erwachsener Mensch mit einem doch etwas ausgereifteren Vokabular, hoffe ich zumindest..
Gut gefallen hat mir, dass jedes Kapitel mit passenden Songtexten eingeleitet wurde und immer mal wieder kleine Kästchen im Kapitel aufgebaut wurden, die Näheres zu Amsterdam erklärt haben oder zu den Personen im Buch selbst. Teilweise war es mir wieder zu plump („in dem Club lassen sich die Schnitten richtig gut vögeln“), oder zu fußballlastig. Dennoch war es eine nette Idee, die bei dem Thema für etwas Entspannung während des Lesens gesorgt hat.
Ein großer Raum nimmt neben Stijns Sexualleben natürlich die Krebserkrankung seiner Frau ein. Schonungslos berichtet er von den Gängen ins Krankenhaus, der Chemotherapie, dem Ausfallen der Haare und auch der Brustamputation. Er zeigt, wie schwierig es für Carmen ist, sich als Frau zu sehen und mit dieser Krankheit zu leben und gleichzeitig wird deutlich, wie sich das Familienleben ändert. Immer wieder sind diese Änderungen von Ängsten, Zweifeln und Wut geprägt, die gut dargestellt wurden. Schlimm fand ich vor allem, wie sie Luna beibringen mussten, dass sie ohne ihre Mutter aufwachsen muss.
Das Ende war heftig. Ich denke, es hätte mich emotional mehr angesprochen, wenn ich nicht so eine Antipathie gegen Stijn entwickelt hätte, aber dennoch hat es mich runtergezogen, wie Carmen sich am Ende entschieden hat und was das nun für die gesamte Familie bedeutet.

Fazit:
Ein Buch, das auf knallharte Art klarmacht, was es heißt, ein Familienmitglied an Brustkrebs erkranken zu sehen. Hier stehen nicht die medizinischen Fakten im Vordergrund, sondern die psychischen, sozialen und familiären Auswirkungen. Gut waren die Songtexte am Kapitelanfang und der kleine Guide durch Amsterdam als Erholungsphase für den Leser. Unnötig waren Stijns Frauengeschichten, die auf furchtbar plumpe Art berichtet wurden, die ich mir gern erspart hätte.