Rezension

Angst vorm Erwachsenwerden

Wachstumsschmerz - Sarah Kuttner

Wachstumsschmerz
von Sarah Kuttner

Bewertet mit 4 Sternen

"Wachstumsschmerz" von Sarah Kuttner hat mich doch recht positiv überrascht. Ihren ersten Roman "Mängelexemplar" habe ich (noch) nicht gelesen und bin auch an diesen hier mit einem eher mulmigen Gefühl herangegangen. Einschlägige, eher negative Erfahrungen mit sich plötzlich zum Schreiben berufen fühlenden Ex-Musik-TV-Moderatorinnen in Form von Charlotte Roche haben mich meine Erwartungen nämlich alles andere als hoch stecken lassen...aber, hey, Überraschung: Sarah Kuttner schreibt tatsächlich gar nicht schlecht, fabriziert eine ganz anständige Handlung und das ganze auch ohne überdetailierte Sexszenen oder Fäkalsprache.

Zum Inhalt: Ich-Erzählerin ist Luise, die mittlerweile über 30 ist und nach langjähiger Beziehung beschließt, mit ihrem Freund Flo zusammenzuziehen. Doch schnell zeigt sich, dass das alles nicht so leicht wird. Luise schlittert in eine kleine Lebenskrise, denn irgendwie ist sie mit sich und ihrem Leben alles andere als zufrieden und sie lässt ihren Frust viel zu oft an ihrem eher zurückhaltenden Freund aus. Dabei kann sie gar nicht genau sagen, was sie eigentlich möchte. Sich beruflich verändern? Die Beziehung ändern? Eigentlich läuft ja alles ganz gut, aber die zunehmende Ernsthaftigkeit ihres Erwachsenenlebens fühlt sich für Luise nicht real an - als wäre alles nur gespielt...

Luise ist eine moderne, junge Frau mit einer modernen, jungen Sprache. Man merkt, dass sich die Autorin hier auskennt, denn Luises Art und ihre Sprache sind glaubwürdig. Mit viel Ironie bewegt sich die Protagonistin durch ihr plötzlich so unbefriedigendes Leben. Durch die immer wieder eingeschobenen "Memo"-Kapitel, in denen sich Luise aus einer ein paar Wochen in der Zukunft liegenden Zeit immer wieder mit einem "du" an Flo wendet, bekommt der ansonsten eher locker-lustig geschriebene Roman eine traurige, ernsthafte und sehr emotionale Zusatznote, die ihn wirklich lesenswert und auch spannend macht. Als Leser wollte ich wissen, wie es passieren konnte, dass die am Anfang so schöne Beziehung zu Flo Luise in der "Memo"-Zukunft so traurig macht.

Ich kann nicht behaupten, dass der Roman sein Niveau durchgehend halten kann. Er ist nicht perfekt. Es gibt ein paar Längen und ein paar überzogene Passagen, aber im Gesamtbild war ich von diesem Roman doch sehr angetan.

Mein Fazit daher: Es gibt auch Ex-Musik-TV-Moderatorinnen, die Romane schreiben können, die man ohne Würgereiz, aber mit Humor und Freude lesen kann. Sarah Kuttner gehört dazu, was sie mir mit "Wachstumsschmerz" bewiesen hat. Ein wirklich ganz schöner Roman!