Rezension

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Aus Sicht des Bösen

Die Frauenkammer - Jannes C. Cramer

Die Frauenkammer
von Jannes C. Cramer

Interessante Erzählweise aus Sicht des Antagnisten, allerdings teilweise etwas unrealistisch

Kommissar Frank Holpers Team wird zu einer Frauenleiche gefunden, die auf einem stillgelegten Kasernengelände gefunden wird.  Es scheint ein Profi am Werk gewesen zu sein, der das Vorgehen der Polizei bei Mordermittlungen gut kennt – es finden sich keinerlei Spuren an der Leiche, auffällig ist lediglich ein nicht erklärbares Schmetterlingstattoo am Knöchel der Frau. Eben dieses Tattoo findet sich an derselben Stelle einer weiteren Frauenleiche, die wenig später gefunden wird. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt für Kommissar Holper, zu dessen Hilfe er sich Privatdetektiv Lukas ins Team holt – ohne zu ahnen, wen er hier tatsächlich mit Informationen versorgt…

„Die Frauenkammer“ ist kein typischer Kriminalroman, denn hier wird primär aus Perspektive des Antagonisten erzählt. Es gibt kein Rätseln und Jagd nach dem Mörder, denn dieser ist bereits nach wenigen Seiten bekannt, es wird kein Geheimnis um ihn gemacht. Vielmehr liegt der Fokus auf dieser Verkörperung des Bösen. Der Leser erhält durch diese Erzählweise aber viele Einblicke in das Gehirn eines irren Psychopathen, und die Möglichkeit, diesen mit all seinen Gedanken und Handlungen umfassend kennen zu lernen.  Eine spannende Herangehensweise, die man nicht oft in Büchern findet, die aber auch etwas die Spannung um das Rätselraten nach dem Schuldigen genommen hat.

Diese wird aber insbesondere dadurch hergestellt, dass der Leser mit den gefangenen Frauen in der Kammer mitfiebert und darauf wartet, dass der Mörder einen Fehler macht. Tempo erhielt die Geschichte durch sehr kurze Leseabschnitte, die den schnellen Perspektivwechsel der jeweiligen Protagonisten dargestellt haben. Teilweise ging es mir allerdings etwas zu schnell, so dass nicht mehr alles nachvollziehbar war. Dies wurde auch noch dadurch bestärkt, dass einige Figuren etwas seltsam und untypisch gehandelt haben und somit nicht authentisch erschienen.  Auch gab es in der Erzählung etwas viele Zufälle, so dass sich z.B. alle Beteiligten plötzlich privat im Haus des zuständigen Ermittlers wiederfinden. Das Ende kam mir etwas zu abrupt.

Durch diese Erzählweise hat der Leser immer einen Wissensvorsprung vor der ermittelnden Polizei. Und hier kommt mein größter Kritikpunkt: Ich mag es nicht, dass die Polizei in so ein schlechtes Licht gestellt, teilweise sogar als unfähig dargestellt wird. Zunächst dachte ich, mein dementsprechendes Empfinden liegt am eben geschilderten Wissensvorsprung, spätestens aber seit Kommissar Holper Lukas als externen Berater einstellt und ihm innerhalb kürzester Zeit sämtliche Ermittlungsergebnisse zur Verfügung stellt, hat mich die Darstellung der Ordnungshüter zunehmend geärgert. Natürlich bekommt der Leser aufgrund der Fokussierung nur sehr wenig von der eigentlichen Polizeiarbeit mit, aber was dargestellt wird klingt wenig professionell. Ist die Polizei wirklich so naiv? Wie realistisch ist eine solche Vorgehensweise? Und ist es normal, dass der Hauptverantwortliche innerhalb weniger Kontakte bereits per du und sehr privat mit einem beauftragten externen Berater ist? Meiner Meinung nach eher nicht.

Das Cover passt gut zum Inhalt, der Schmerz der weinenden Frau wird spürbar und der Leser kann sich richtig vorstellen, dass dies ein verzweifeltes Opfer in der Frauenkammer sein könnte.