Rezension

Band 7 des 'Sonderdezernat Q'

Selfies - Jussi Adler-Olsen

Selfies
von Jussi Adler-Olsen

Ich liebe das Sonderdezernat Q – ich stehe auf diesen bunten Haufen an Ermittlern. Vor allem diese besondere Beziehung zwischen Carl und Assad. Dieser abgedrehte Charakter Rose und die kuriose WG bei Carl zu Hause! Band 6 brachte da schon ein wenig Ernüchterung, konnte mich nicht mehr so begeistern wie die Vorgänger und doch hatte ich mich sehr auf die Fortsetzung gefreut. Aber leider kann auch „Selfies“ nicht mehr an meine Lesefreude der ersten fünf Bände anknüpfen. So sehr einem die Protagonisten ans Herz wachsen, mehr erfahren will von ihren Hintergründen, muss vielleicht doch irgendwann ein Abschlussband her?

Es klingt grausig und nein, ich möchte eigentlich nicht das die Geschichten um das Sonderdezernat Q ’schon‘ enden (beginnend mit den vielen unbeantworteten Fragen zu und über Assad), dennoch muss ich sagen das diese Reihe für mich leider kein Pageturner mehr ist. Es fehlt einfach etwas. Der Fokus des Autors verändert sich, hebt Ereignisse mehr hervor und konzentriert sich darauf. Diese jedoch sind zwar interessant, würden aber nicht so viel Raum benötigen, wie sie erhalten.

In diesem Band stehen nicht die Ermittlungen im Fokus, sondern die Geschichte um Rose und die Einblicke verschiedener Täter. Und genau darin liegt auch mein Kritikpunkt, mein großer Kritikpunkt!
 Die Verbindung zum zurückliegenden Fall ist eher nebensächlich und man begleitet als Leserin zwei Geschichtsstränge von aktuellen Tätern. Aber es handelt sich nicht nur um die Beweggründe oder die Tat, sondern besonders die Lebensgeschichte derer.

Auf der einen Seite steht die Sozialarbeiterin Anne-Line Svendsen, welche unglücklich mit ihrem Beruf ist. Tagtägliche Auseinandersetzungen mit unmotivierten, lustlosen Schmarotzern. Und dann die Hiobsbotschaft: Brustkrebs. Die sich entwickelnde Wut richtet sich schnell auf die jungen Frauen und ein perfider Plan entsteht.
 Doch der gewisse Thrill/Nervenkitzel fehlt! Zu sehr handelt es sich um die Frustration des eignen Lebens, den Hass auf ihr Klientel der Arbeit. Dafür wird der entstehende Plan, seine Umsetzung, eher schnell abgehandelt. Grundlegend kein Kritikpunkt für mich, sehr gerne lese ich in einem Thriller ebenfalls über das Gefühlsleben eines Täters bzw. was diesem nach der Tat im Kopf umher geht oder davor. Aber dies stand ebenso wenig im Vordergrund wie die Tat selbst.

Auch die jungen Frauen selbst schließen sich zusammen, wollen sich gegen die Ungerechtigkeit die ihnen angeblich widerfuhr auflehnen – jede aus ihren eignen Gründen.
 Hier verliert sich der Autor in Nichtigkeiten. Verlieren mag nun etwas hart klingen, aber viele Aspekte und Perspektiven hätten kürzer gefasst werden können, um so dem Sonderdezernat Q mehr Raum zu geben.

Denn ja, mir war es zu wenig! Zu wenig von Carl und seiner zusammengewürfelten WG. Zu wenig vom Schlagabtausch zwischen Carl und Assad. Ja, selbst zu wenig von Gordon. Und vor allem zu wenig von den Ermittlungen! Dafür zu viele Fälle! Den Überblick verliert man an keiner Stelle und immer wieder blitzt auch die Frage auf, wie all dies im Zusammenhang mit einem 12 Jahre alten und unaufgeklärten Mord steht. Der Autor verwebt alle Perspektiven und Geschehnisse zu einem in sich stimmigen Gesamtbild, bei dem mir jedoch der Spannungsbogen fehlte. Die Verknüpfungen kann der aufmerksame Leser schnell selbst ziehen, wobei ich mich immer fragte warum die Geschichte um Svendsen überhaupt eingearbeitet werden musste.

Da kamen mir die Kapitel über Carl und sein Team mehr als gering vor! Und auch hier fehlte mir etwas. Carl muss sich mit einem Team Fernsehjournalisten plagen und was hatte ich mich auf sein Grummeln und Fluchen gefreut! Die Sprüche gegenüber seinem Chef Lars Bjørn, das Auszählen des Journalistenteams, Assads kessen Sprichworte dazu. Fehlanzeige. Eigentlich spielt dies kaum eine Rolle innerhalb der Geschichte, ebenso wie die Ermittlungen selbst. Ungewohnt lange dauerte es, bis ich zu den ersten Seiten von Carl vorgelesen war und es sollte auch zukünftig wenig davon kommen – zu mindestens gefühlt! Natürlich finden Ermittlungen statt, Carl und Assad vernehmen beteiligte Personen und ganz auf Assads Kamel-Sprichworte muss auch nicht verzichtet werden. Nur eben nicht mehr in dem Umfang der Vorbände und als treue Leserin fehlt dann doch viel von dem Charme dieser Thriller-Reihe.
Das Sonderdezernat Q und seine Protagonisten rutscht neben den Perspektiven der Sozialarbeiterin, sowie der jungen Frauen eher in den Hintergrund. Ebenso begründet in dem weiteren Geschichtsstrang, welcher viel Raum einnimmt.

Wer die Vorbände nicht kennt, sollte dies vor dem Lesen des 7. Bandes nachholen. Neben den aktuellen Ermittlungen steht die Geschichte von Rose im Mittelpunkt, welche immer wieder in den Bänden thematisiert wird. Und ihre Geschichte war es, welche mich an das Buch fesselte. Ab hier sollte nicht weiter gelesen werden, wenn die vorherigen Bücher noch gelesen werden wollen, da ich auf den Verlauf der privaten Entwicklung eingehen werde und Spoiler zu den vorherigen Bänden nicht ausgeschlossen sind.

Rose ist zurück aus der psychiatrischen Klinik, doch es dauert nicht lang und sie schlüpft in die Rollen ihrer Schwestern, distanziert sich.

„Gerade kam es ihr vor, als wenn ihr Körper zu klein sei für alles, was er in sich trug.“ (S 26)

Ein Gefühl welches Rose beängstigend vertraut ist, seit Jahren. Und zum ersten Mal gewährt der Autor uns Einblicke in ihr Leben, in ihr Leiden. Seit der Hypnose die alle drei in die Dunkelheit katapultierte, fällt es Rose am schwersten den Abstand zu gewinnen. Zu viel brach aufgrund des letzten Falles auf sie herein. Seit Rose im Sonderdezernat auftauchte, fragte ich mich immer wieder welche Geschichte sich hinter diesem Charakter verbirgt, warum sie in die Rollen ihrer Schwestern schlüpft. Nein, vielmehr fragt man sich ob es diese Schwestern überhaupt gibt, ob Rose eine dissoziative Identitätsstörung hat.
 Jussi Adler-Olsen präsentiert uns mit allen Charakteren jeweils eine eigene, ganz besondere Geschichte. Protagonisten die nur geringe Einblicke gewähren, Fragen entstehen lassen die immer unbeantwortet bleiben. In diesem Band jedoch wird eine Lebensgeschichte zu Ende erzählt, welche Carl und Assad Jahrzehnte zurückführt, zum Todestag von Roses Vater. Sie ermitteln um Rose zu helfen aus ihrer Dunkelheit zu entkommen und erahnen nicht welche Geschichte sie damit ans Tageslicht befördern.

„Ein unerträglicher Gedanke, dass diese Frau, die sie alles so gut zu kennen glaubten, mit so zerstörerischen, alles überschattenden Gedanken zu kämpfen hatte.“ (S. 191/192)

Und eben deshalb werde ich der Reihe auch zukünftig treu bleiben! Zu sehr sind mit die Protagonisten ans Herz gewachsen, zu viele Fragen stehen noch im Raum! Aber ich hoffe sehr das Jussi Adler-Olsen zu den Wurzeln des Sonderdezernats Q zurückkehrt – mehr Ermittlung, mehr vom Team und vor allem wieder mehr Spannung!