Rezension

Berührend

Kirschblütentage - Nancy Salchow

Kirschblütentage
von Nancy Salchow

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine Familie: Jasmin und Vincent, das ehemalige Traumpaar. Kea und Phillip, die schwierigen Teenager. Und Vincents Mutter Emilia, die der Familie den nötigen Zusammenhalt spendet. Bis sie stirbt. Nach Emilias Tod werden sich die Vier der Probleme in ihrer Familie bewusster denn je und stehen vor der schier unüberwindbaren Aufgabe, diese Probleme zu lösen. Doch Emilia wusste, dass es dazu kommen würde - und verteilt im ganzen Haus Erinnerungen, um ihren Lieben auch nach dem Tod beizustehen.

Ich bin ohne Erwartungen an das Buch herangegangen und war daher positiv überrascht. Abgesehen davon, dass es mir an manchen Stellen zu kitschig formuliert war, mochte ich die "Kirschblütentage", das Synonym für die glücklichen Tage der Familie, richtig gern. Als Leser kann man beobachten, wie die verschleiernden Tücher von schluchtentiefen Problemen weggerissen werden und wie sich die Protagonisten bemühen, diese Schluchten zu füllen. 

In der Ehe von Jasmin und Vincent kriselt es. Hielt man anfangs Vincent noch für einen egoistischen Workaholic und Jasmin für das Opfer seines Jobs, so wandelte sich dieses Bild im Laufe des Buches. Auf sehr authentische Weise offenbarte sich, dass zu dieser Problematik immer Zwei gehören und dass auch Jasmins Starrköpfigkeit und übertriebene Selbstaufopferung nicht unschuldig an den Eheproblemen sind.
Das mir Jasmins Engstirnigkeit kurzzeitig auf den Keks ging, lag aber eher daran, dass ich solche Menschen auch in der Realität nicht verstehe :)

Kea und Phillip wurden für mich zu Charakteren, mit denen ich mich sehr gut identifizieren konnte. Sie vereinen einige der typischen Teenager-Probleme in sich, sowohl auf sich selbst bezogen als auch im Verhältnis zu ihren Eltern. 

Zuletzt Emilia - sie war für mich der Inbegriff des weisen, vorausschauenden Familienoberhauptes und in meinem Kopfkino hatte sie stets ein warmes Lächeln auf den Lippen. Sie hat begriffen, welchen Wert Familie hat, und gab sich alle Mühe, dies auch ihren Lieben zu vermitteln. Emilia ist ein Charakter ohne Kanten - aber ich wünsche mir für sie auch keine. 

Nachdem ich das Buch beendet habe, kam ich nicht drumherum, über mein eigenes Verhältnis zu meiner Familie nachzudenken. Und ich bin sehr froh darüber gewesen, dass ich mittlerweile meine Großeltern so oft wie möglich besuche, denn Emilia hat bewiesen - sie werden nicht für immer für mich da sein können. Diese Geschichte öffnet Augen, ohne belehrend zu wirken.