Rezension

Berührend, spannend und lebensklug

Die langen Abende - Elizabeth Strout

Die langen Abende
von Elizabeth Strout

Und um es kurz zu machen: Ich liebe dieses Buch, es ist in seiner berührenden, charmanten, liebevollen, lebensklugen und in jeder Sekunde spannenden Erzählweise ein großartiges Werk, das eigentlich jeder gelesen haben sollte, mindestens aber jeder, der die 50 überschritten hat.

Will man eine Liebesgeschichte zwischen zwei über 70-Jährigen lesen? Mit einer Heldin, die eine echte Schreckschraube ist? Und eigentlich auch eine ziemliche Tratschtante. Und der männliche Teil der Liebesgeschichte ist ein versnobter, fetter Harvard-Professor in Rente, der im Grunde ziemlich daneben ist, weil er zu viel trinkt und bevorzugt einen peinlichen Sportwagen fährt.

Klingt furchtbar, nicht wahr? Es spiegelt aber genau die Eckpfeiler der Handlung von Elizabeth Strouts neuem Buch „Die langen Abende“ wider.

 

Und um es kurz zu machen: Ich liebe dieses Buch, es ist in seiner berührenden, charmanten, liebevollen, lebensklugen und in jeder Sekunde spannenden Erzählweise ein großartiges Werk, das eigentlich jeder gelesen haben sollte, mindestens aber jeder, der die 50 überschritten hat.

 

Der Roman heißt im Original "Olive again". Und wer jetzt vermutet, bei der Titelheldin könnte es sich um eine alte Bekannte handeln, nämlich um Olive Kitteridge aus Strouts pulitzerpreisgekrön­tem Buch "Mit Blick aufs Meer", der liegt völlig richtig. Die frühere Lehrerin in einer kleinen amerikanischen Stadt an der Küste von Maine ist zwar ein paar Jährchen älter geworden, aber geändert hat sie sich nicht, wieso auch!

 

Längst im Ruhestand weiß die scharfzüngige Witwe alles über die Bewohner der Stadt, insbesondere, wer welche Schicksalsschläge zu verkraften hat. Und sie selbst? Was treibt sie in die Arme von Jack? Ihre riesige Einsamkeit oder die Angst vor dem Alter und vor dem Sterben? Strout umschreibt, worum es geht, so: Um die Einsamkeit am Grund jeden Lebens, und um die Entscheidungen, die die Menschen trafen, um dieser klaffenden Schwärze zu entgehen.

 

Aber keine Sorge: Die dramatischen Dinge des Alters sind derart leicht und locker erzählt, dass man sich – bei aller Aufregung über den einen oder anderen Akteur – doch dabei ertappt, dass man sich eigentlich ganz gut vorstellen kann, genauso alt zu werden wie Olive und Jack. Das Buch ist pure Lesens- und Lebensfreude … was will man eigentlich mehr?