Rezension

Berührende Geschichte

Mr Gwyn - Alessandro Baricco

Mr Gwyn
von Alessandro Baricco

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt aus dem Klappentext:

Jasper Gwyn, ein berühmter englischer Schriftsteller Anfang vierzig, fasst eines Tages einen weitreichenden Entschluss. In einem Zeitungsartikel listet er 52 Dinge auf, die er fortan nicht mehr zu tun gedenkt, darunter auch: Bücher schreiben. Stattdessen beschließt er, in seinem neuen Leben als "Kopist" zu arbeiten und Porträts anzufertigen - dies allerdings nicht mit Pinsel und Palette, sondern in geschriebener Form. Er mietet ein Atelier an, wo ihm fortan Menschen Modell sitzen, die sich später in seinen Porträts gänzlich wiederfinden werden. Bis eine junge Frau auftaucht, die sich den strengen Regeln des Kopisten entzieht.

 

Meinung:

Schon in der Verlagsvorschau viel mir dieses Buch ins Auge und sprach mich mit seiner Inhaltsangabe an. Als er uns dann auch auf dem Bloggertreffen im Januar in Hamburg ans Herz gelegt wurde, wollte ich das Buch natürlich umso mehr lesen.

Und so schlug ich dann die erste Seite des Romans auf und tauchte ein in die Welt des Mr. Gwyn. Dieser scheint in einer Lebens- und Sinnkrise zu stecken. Eigentlich ist er ein bekannter Autor, doch er merkt, dass ihn diese Rolle nicht mehr ausfüllt und behagt. Deshalb beschließt er das Schreiben an den Nagel zu hängen und sich ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen. Doch das ist nicht so einfach, wie es klingen mag. Schließlich beschließt er, nach einigen Tiefs und Depressionen, sich als Kopist zu betätigen. Aber was macht diesen Beruf eigentlich aus? Mr. Gwyn findet sich wieder, indem er Porträts schreibt. Dabei blickt er tief in den porträtierenden Menschen hinein, legt ihn bloß und berührt ihn, holt ihn heim. Aber reicht es auch für ihn selber?

Mr. Gwyn ist ein sehr rätselhafter Charakter, aus dem ich lange nicht richtig schlau wurde. Aber man wird von seiner Figur auch angesprochen und angezogen, denn man findet unheimlich viel von einem selber in Mr. Gwyn wieder. Selbstzweifel, Existenzängste und Sinnsuchen, das sind Themen mit denen sich bestimmt schon jeder einmal mehr oder weniger intensiv auseinander gesetzt hat und mit denen sich Mr. Gwyn hier beschäftigen muss. Ein wenig einfacher ist da die Figur der Rebecca, die als Mr. Gwyns Assistentin einen wichtiges Gegenstück zu Mr. Gwyn darstellt und die zweite Hautfigur in diesem Roman ist. Rebecca selber ist eine junge Frau, die bereits einige schlechte Erlebnisse im Leben meistern musste. Miese Beziehungen und eine nicht gerade schlanke Figur, haben sie zu einer recht unscheinbaren, zurückhaltenden Frau gemacht, die sich den Gegebenheiten fügt und ihre persönlichen Wünsche eher zurückstellt.

Eigentlich besteht diese Roman aus zwei Büchern, denn das Buch beinhaltet nicht nur Mr. Gwyns Geschichte, sondern auch den Roman Dreimal im Morgengrauen, welcher in Mr. Gwyn thematisiert wird. Erst im Zusammenspiel dieser beiden Erzählungen bekommt man als Leser ein klares Bild über den Hauptprotagonisten und viele der Handlungsweisen der Charaktere werden damit schlüssig und bringen den erhofften "Aha"-Effekt. Erzählerisch ist das Buch wundervoll eingängig. Alessandro Baricco hat einen sehr schönen Erzählstil, der mich direkt von der ersten Seite an eingefangen hat. Die Kapitel sind kurz und knapp gehalten, zumindest im Teil von Mr. Gwyn. Bei Dreimal im Morgengrauen ist die Geschichte in drei Teile gegliedert und besteht zu großen Teilen nur aus Dialogen. Das ist aber überhaupt nicht langweilig, sondern sehr tiefgründig und bewegend. Überhaupt sind die Beschreibungen im Buch sehr anschaulich gestaltet. Der Autor weiß, wie er seine Szenen entwerfen muss, um ein genaues Bild des Settings zu schaffen und die richtige Atmosphäre zu erzeugen. Erzählt wird die Geschichte in der dritten Person, die Sichtweise liegt dabei entweder auf Mr. Gwyn oder auf Rebecca, seiner Assistentin.

 

Fazit:

Mr. Gwyn ist ein berührender Roman über das Gefühl, sich verloren zu fühlen und einen Weg nach Hause zu finden. Der Autor lässt seine Figuren sich mit sich selber auseinandersetzen, ohne dabei zu sentimental oder langweilig zu werden. Lange Zeit bleibt die Motivation der Hauptfigur etwas undurchsichtig und stellenweise recht distanziert. Aber zusammen mit Dreimal im Morgengrauen ergibt sich dann doch ein schlüssiges Bild daraus.

Von mir gibt es 4 von 5 Punkten.^