Rezension

Bevor ich falle

Bevor ich falle - Lilly Lindner

Bevor ich falle
von Lilly Lindner

Von mir gibt es 4 Sternchen für dieses wortgewaltige Buch, dass leider in Sachen Tiefe durch seine Flut an Worten verloren hat. Wer aber gern mit Worten spielt und eine einfache Story bevorzugt, dafür aber sehen möchte wie Worte anders wirken können, für den ist dieses Buch genau das richtige.

Meine Meinung:
Dies ist tatsächlich mein erstes Buch von Lilly Lindner, denn bisher sind ihre Bücher zwar hoch gelobt wurden, aber immer an mir vorbei gegangen. Umso gespannter war ich auf dieses Buch, und ich muss sagen, es ist wirklich etwas ganz anderes.
Zunächst musste ich feststellen, dass das Cover sehr schlicht gehalten ist, was ich aber entsprechend dem Thema im Buch gut finde. Die Mischung aus blau und türkis hat es mir auch direkt beim ersten Blick auf das Buch angetan.
"Aber Erwachsene rennen ja auch alle vier Jahre los, um ihre Stimme abzugeben. Bildlich gesehen ist das ein Stillleben. Aber genau genommen ist es einfach nur Politik."
(Seite 51)
Im Buch wird die Geschichte von Cherry erzählt, oder eher Cherry selbst erzählt ihre Geschichte, mit viel Gefühl und Wortgewalt. So erfahren wir am Anfang, wie ihre offensichtlich depressive, gefühlssüchtige Mutter Selbstmord begeht und ihr cholerischer, gefühlskalter Vater ihr dafür die Schuld gibt und sie allumfassend von sich stößt. Da hier natürlich stets nur ihre Sicht beschrieben wird, haben wir als Leser nur einen subjektiven Blick, und können nur versuchen Cherry und ihre Gefühle zu verstehen. Leider ging es mir oft so, dass ich keine Verbindung zu Cherry aufbauen konnte, einige ihrer Entscheidungen konnte ich einfach nicht nachvollziehen, und ich musste dann einfach damit leben, dass Cherry solche fatalen Fehler begeht und ich als Leser hilflos dabei zu sehen muss.
"Du weißt nicht, wie sich Stille anfühlt. Bis sie dich anbrüllt."
(Seite 93)
Eine entscheidende Rolle in Cherry's Leben spielt Landon, ihr ehemaliger Schwimmlehrer. Er ist sowas wie der Fels in der Brandung, denn er fängt sie auf bevor sie fällt. Er war für mich so was wie der Held der Geschichte, zumindest er hat versucht Cherry immer wieder zurück ins Leben zu befördern, da ihr Vater dazu nicht in der Lage war.
Die Chance ihres Lebens erhält Cherry von Scratch, welche genau das ist, möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten, denn damit würde ich zu weit nach vorne greifen. Allerdings muss man klar feststellen, dass es Cherry leichter fällt Bindungen zu Männer aufzubauen, was sicherlich daran liegt, dass sie vor allem eine neue Vaterfigur sucht, denn ihr Vater hat leider total versagt.
Inhaltlich beschäftigt sich das Buch mit vielen schweren Themen, Themen die dem Leser dann schwer im Magen liegen, aber von Lilly Lindner leider manches mal nur teilweise erklärt werden. So kommt es zu Konflikten wo die Lösung ausbleibt oder nicht erklärt wird, oder eben auch ein Ende was so offen ist, dass man verzweifelt nach weiteren Seiten am Ende des Buches sucht.
"Gefühle sind lautlose Gestalten. Aber sie haben eine schweigende Stimmgewalt."
(Seite 271)
Das wohl beste an dem Buch ist seine Wortgewalt, selten habe ich ein Buch gelesen was so toll mit Wörtern und deren Bedeutung spielt, egal ob englisch oder deutsch, hier werden Wörter auf ihre kleinsten Teilchen auseinander genommen und neu geordnet. Dies wäre definitiv eines der Bücher welches ich nochmal lesen würde, nur um alle versteckten Wortspielchen aufs neue zu lesen. Allerdings wäre am Ende wieder eine Wortleere wo eigentlich das Ende sein sollte, ein Abspann oder irgendwas was uns als Leser zeigt, welche Richtung die Geschichte nehmen wird.

Fazit:
Von mir gibt es 4 Sternchen für dieses wortgewaltige Buch, dass leider in Sachen Tiefe durch seine Flut an Worten verloren hat. Wer aber gern mit Worten spielt und eine einfache Story bevorzugt, dafür aber sehen möchte wie Worte anders wirken können, für den ist dieses Buch genau das richtige.