Rezension

Bitterböse Geschichte über moralische Verwirrungen

Die Rassistin -

Die Rassistin
von Jana Scheerer

Bewertet mit 5 Sternen

Dieser Roman ist so viel: Eine Collage. Eine hochaktuelle Geschichte. Ein Denkanstoß. Und zwar ohne den berühmt-berüchtigten moralischen Zeigefinger sondern durch ein intelligentes, glaubhaftes Erzählen. Und viel Komik und Humor.

Nora Rischer sieht sich plötzlich in eine Situation verwickelt, die auf den ersten Blick amüsant erscheint. Und auf den zweiten eine Katastrophe für sie und ihre wissenschaftliche Karriere darstellen könnte. Eher zufällig erreicht sie im Behandlungszimmer ihrer Ärztin die Nachricht, dass es am germanistischen Institut zu einem rassistischen Vorfall gekommen ist. Neugierig und innerlich bereits auf der Seite der Geschädigten muss sie mit Schrecken feststellen, dass es scheinbar ihr eigenes Seminar ist, über das berichtet wird. Und sie als Dozentin folglich diejenige ist, welche sich vor ihren Studierenden rassistisch geäußert und eine diskriminierende Situation geschaffen haben soll.

Was dann folgt, ist für Nora ein Wechselbad der Gefühle, eine Suche nach der eigenen Positionierung und ein Ringen um ein Verstehen des Geschehenen. Das alles verpackt in einem ebenso geschickt arrangierten wie äußerst unterhaltsamen Gedankenstrom, der Situationen aus ihrer eigenen Vergangenheit unter einem sich neu ausgerichteten und moralisch geschärften Kompass beleuchtet und so in Verbindung zu dem Verdachtsfall setzt.

Und wie die Kompassnadel schwankt auch Nora darin, welches Vorgehen als von der Gesellschaft angemessen und von ihrem Umfeld akzeptiert von ihr erwartet wird. Und ob sie sich hierzu bereit fühlt. Ist es eine Entschuldigung, offiziell und öffentlich? Ist es ein Leugnen und Abstreiten? Eine Erklärung und Rechtfertigung? Nora weiß es nicht. Und zahlreichen Leser*innen wird es ähnlich gehen.

„Die Rassistin“ ist ein durchaus mutiger Roman. Eine Geschichte, die eine*n lächeln lässt und zugleich nachdenklich und betroffen macht – und zwar gerade deshalb, weil wir dies selbst alle sein könnten. Betroffene einer derartigen Situation oder Skandals. Und dies möglicherweise zu Recht? Eine klare Antwort hierauf ist kaum zu finden, doch der Roman ist eine wichtige, intelligent konstruierte und reflektierte Annäherung an diese.