Rezension

Chapeau, Mr. Duckworth, chapeau!

Der ehrgeizige Mr. Duckworth
von Tim Parks

Chapeau, Mr. Duckworth, chapeau! Wie Sie sich durch diesen Kriminalroman gemogelt haben, das ringt mir ein gewisses Maß an Achtung ab. Ich kann Sie als Protagonist zwar nicht im Geringsten leiden und wünsche mir ihr Scheitern bei ihren kriminellen Aktivitäten so sehr herbei, wie eine kühle Brise an einem heißen Sommertag, aber dennoch, ihr Romanende war in so hohem Maße vergnüglich, dass ich es zugegebener Maßen kaum erwarten kann, ihre Entwicklung weiter zu verfolgen. Mir scheint, Sie sind noch für die ein oder andere Überraschung gut!

Und ihr Autor Mister Tim Parks hat Sie ja glücklicher Weise als Trilogie angelegt, welch freudiger Umstand! Denn auch wenn der Einstieg in den ersten Teil ihre Geschichte „Der ehrgeizige Mr. Duckworth“ ein wenig zwickt und zwackt und kneift wie ein unliebsames Kleidungsstück, was natürlich und, verzeihen Sie mir meine Direktheit, absolut an ihrem widerlichen Charakter und ihrem geradezu verabscheuungswürdigen Wesen liegt, so gelingt es ihrem Geschichtenerzähler Tim Parks durch sein Erzähltalent doch ganz hervorragend, Sie genau so unsympathisch darzustellen wie möglich, nämlich ganz nah an ihren Gedanken dran und doch mit so viel Abstand wie nötig, um seine tiefgreifende Verachtung Ihnen gegenüber, Mr. Duckworth, mit leiser Ironie zwischen die Zeilen zu packen.

Ja, ich weiß, diese bittere Pille schluckt man nicht gern, aber Sie müssen der Realität ins Auge sehen, man kann Sie einfach nicht mögen. Sie sind kein netter Mensch. Sie sind weinerlich und zimperlich, ja eine jämmerliche Gestalt, die in Selbstmitleid versinkt und gar nicht einsieht, dass man sich für manche Dinge einfach ein bisschen anstrengen muss. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, von allen, vom Leben, vom Schicksal, natürlich von ihrem Vater, von den reichen Leuten, von den Menschen generell, ja man verkennt ja geradezu ihr eigentlich so nobles Wesen. Und doch, wissen Sie, Mr. Duckworth, Sie machen es einem schwer, Sie zerfließen im Selbstmitleid, Sie packen den Stier nicht bei den Hörnern, zumindest nicht in den richtigen Situationen. Zupacken können Sie ja, fernab ihrer Kenntnisse als Englischlehrer im sonnigen Italien schlummern da ja durchaus Talente in Ihnen, die dann im Affekt herausbrechen und einen staunen lassen, ehrlich. Warum nicht einfach mal diese Energie in eine vernünftige Sache investieren? Stattdessen verdrehen Sie so einem armen reichen, jungen Ding den Kopf und erpressen dann ihre Eltern und verstricken sich in einer Geschichte, bei der Sie, in aller Bescheidenheit, wirklich mehr Glück als Verstand hatten.

Und ich bin da auch ganz offen, ich mag Sie wirklich nicht. Aber wie schon eingangs erwähnt, besitzt ihr Autor das Können, stilistisch auf hohem erzählerischen Niveau ihre Figur in eine Geschichte zu verpacken, die einen so hohen Unterhaltungsfaktor entwickelt, dass ich doch sehr bereitwillig viel mehr Zeit mit Ihnen verbringen mochte, als ich es für möglich gehalten hätte. Seien Sie diesem Mann also dankbar, denn so unglaublich ungern man Sie, Mr. Duckworth, eigentlich um sich haben möchte, so gern möchte man mehr von Ihnen lesen und ich für meinen Teil freue mich ganz besonders auf ein Wiedersehen in ihrem zweiten Band „Mr. Duckworth wird verfolgt“.

Fazit: Was hier in diesem Kriminalroman passiert, ist schon irgendwie ganz großes Kino. Der Protagonist ist ein Arschlochkind par excellence, ein widerlicher Charakter, der vom Autor Tim Parks so kunstvoll in Szene gesetzt wird, dass es am Ende schlichtweg eine wahre Freude ist. Dem erzählerischen Talent von Tim Parks muss man huldigen, den Leser so viel Zeit mit einer Figur verbringen zu lassen, die er eigentlich nicht um sich haben möchte und dabei so gut zu unterhalten, chapeau!

Bewertung: 84 %

Stil: 5/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 4/5 | Plot-Entwicklung: 4/5 | Tempo: 4/5 | Tiefe: 4/5 | Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 5/5 | = 4,22 Punkte

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