Rezension

Das Katastrophale, Sterbliche, Wunderbare: der Mensch

Ich und die Menschen - Matt Haig

Ich und die Menschen
von Matt Haig

Bewertet mit 4 Sternen

Andrew Martin ist der klügste Mathematiker der Erde und er löst ein mathematisches Problem, das eigentlich als unlösbar galt. Würde er seine Erkenntnisse veröffentlichen, wäre die Menschheit in der Lage, einen Riesenschritt in der Entwicklung zu machen und intergalaktische Reisen kein Ding von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen mehr. Die Vonnadorianer, eine extrem weit entwickelte, außerirdische Spezies, welche die Menschheit schon seit langer Zeit beobachtet, fürchtet sich vor den aggressiven Menschen und was die mit ihrem neuen Wissen anfangen könnten und beschließen, diesen Fortschritt aufzuhalten. Wobei "fürchten" ein zu starkes Wort für das ist, was sie mathematisch kühl kalkuliert haben, denn sie haben keine Gefühle, keine Familie, keinen Krieg und keinen Tod. Sie haben die Mathematik und die sagt ihnen, dass es logisch ist, lieber einen Menschen und alle anderen zu töten, die von seinem Geheimnis wissen könnten, als in Kauf zu nehmen, dass die Menschheit die Galaxie erobert.

Im ersten Moment klingt das alles ein bisschen sehr nach Science-Fiction. Tatsächlich jedoch ist es ein sehr bodenständiger Roman, denn ab dem Moment, ab dem die außerirdische Lebensform den Menschen Andrew Martin übernimmt - sprich: ihn tötet, um selbst zu ihm zu werden -, spielt sich alles auf der Erde ab. Der Einfachheit halber nenne ich dieses Wesen Andrew, um es nicht zu verkomplizieren. Andrew findet die Menschen hässlich, er hasst ihre Bodenständigkeit, ihr Aussehen, ihre Aggressivität (wobei Hass auch nicht das richtige Wort ist, die Logik diktiert ihm, dass es verabscheuungswürdig ist). Obwohl er im Körper des Mathematikers steckt, ist er in der ersten Zeit wie ein Baby, alles muss er lernen: dass sich Menschen mit Kleidung bedecken, die Art und Weise, wie sie miteinander kommunizieren, wie sie miteinander leben. Und dabei wird etwas in ihm aufgedeckt, das er erst nicht erkennt, aber dann schrittweise annimmt: Gefühle. Und mit jedem Gefühl, das er annimmt, wird er menschlicher, mehr zu dem Andrew Martin, den es so nicht gab. Einen Menschen mit Interesse für seine Familie und Freunde, mit Neugier aufs Leben.

Doch aufgrund seiner Unwissenheit und weil er von den "Moderatoren" - einer Art Regierung seiner Rasse -, überwacht wird, macht er Fehler, zum Teil auch tödliche Fehler. Und dann wird beschlossen, ihn auszutauschen und seine menschliche Familie auszurotten - kann er das zulassen? Wird er sich der Logik beugen oder seinen Gefühlen folgen?

Ich habe den Roman zum großen Teil gemocht. Er ist originell und teilweise mit einer Situationskomik ausgestattet, die laut auflachen lässt. Der Schreibstil ist flüssig und weil knapp 80.000 Worte nun mal nicht so viel sind, lässt sich das Buch fix weglesen. Besonders mochte ich den Bezug zur Mathematik, komplexen Problemen und der Schönheit der Primzahlen. Eigentlich ein Anwärter auf 5 Punkte, wenn da nicht so extrem leichtsinnig mit menschlichem Leben umgegangen würde. Da wird mal hier einer ohne mit der Wimper zu zucken getötet, dann da mal einer, ohne dass es jemanden allzusehr belastet: Ich gebe zu, das hat mich gestört, auch wenn es nur die gefühllose und logische Ader der Außerirdischen darstellen sollte. Und dass - gerade im letzten Drittel - manchmal extrem Klischees bedient wurden nach dem Motto "Liebe besiegt alles". Glaube ich ja auch, aber ich muss es nicht in so schwülstigen Worten haben. ;)

Fazit: originell und durchaus lesenswert.